Fiskalstreit in den USA: Obama will Klippe umschiffen
Im Streit um den US-Haushalt kommen sich Republikaner und Demokraten endlich näher. Wird allerdings auch Zeit, um eine Steuerklippe zu vermeiden.
Die Republikaner stimmen Steuererhöhungen zu, die Demokraten akzeptieren Sozialkürzungen – US-Präsident Barack Obama und sein konservativer Gegenspieler, der republikanische Chef des Repräsentantenhauses, John Boehner, kommen sich näher. Noch maximal 12 Tage haben Regierung und Republikaner für eine Einigung Zeit. Andernfalls rutschen die USA über die gefürchtete „Steuerklippe“, den „Fiscal Cliff“. Scheitern beide, mag man sich in Washington die Folgen gar nicht ausmalen.
Doch jetzt hat Obama in mindestens drei Punkten nachgegeben: Im Wahlkampf hatte er darauf bestanden, die Einkommensteuersenkungen aus Bush-Zeiten nur für alle weiterzuführen, die weniger als 250.000 Dollar pro Jahr verdienen. Diese Zahl hat er jetzt auf 400.000 Dollar nach oben korrigiert.
Damit ist er allerdings immer noch weit von den Republikanern entfernt: Im jüngsten Vorschlag Boehners ist lediglich von Steuererhöhungen für Jahreseinkommen jenseits von 1 Million Dollar die Rede – und selbst das dürfte innerhalb der republikanischen Fraktion noch auf Widerstand stoßen.
Offenbar – und das ist erstaunlich – gilt es bei beiden Seiten als ausgemacht, dass die Lohnsteuersenkungen, von denen seit zwei Jahren all jene profitieren, deren Bezüge unterhalb der Einkommensteuergrenze liegen, auslaufen werden. Ökonomen befürchten schon jetzt, dass diese Kaufkraftsenkung der unteren Einkommensgruppen für die Wirtschaft negative Auswirkungen haben wird.
Geringere Erhöhung der Rentenbezüge
Beim Thema Ausgabensenkungen hat Obama sich darauf eingelassen, die Inflationsberechnung zur Anpassung von Rentenbezügen geiziger zu gestalten. Im Klartext: Erhöhungen der Rentenbezüge werden geringer ausfallen. 225 Milliarden Dollar, heißt es, sollen im kommenden Jahrzehnt so eingespart werden.
Insgesamt summieren sich Steuererhöhungen und Einsparungen – die Minderausgaben durch die Beendigung der Kriege in Afghanistan und Irak eingerechnet – über die nächsten zehn Jahre auf eine Haushaltsentlastung von rund vier Milliarden Dollar. Die sind allerdings noch nicht spezifiziert, weil eine kurzfristige Einsparungseinigung für das kommende Jahr noch nicht die weiteren automatischen Kürzungen in den Folgejahren außer Kraft setzt. Sie würden ressortübergreifend weitere rund 1 Billion Dollar pro Jahr betragen.
Infrastruktur ankurbeln
Darüber hinaus kämpft Obama nach wie vor darum, 80 Milliarden Dollar für Infrastrukturprojekte ausgeben zu können, um damit die Wirtschaft anzukurbeln. Die ausgabenscheuen Republikaner stehen dem bislang ablehnend gegenüber. Der Präsident will zudem ein Verfahren verabschieden, damit der Kongress in den nächsten zwei Jahren nicht erneut über die Obergrenze zur Staatsverschuldung abstimmen muss.
Zuletzt im Sommer 2011 hatten die Republikaner mit harten Verhandlungen darüber das Land kurz vor den Staatsbankrott gebracht. Die nächste Erhöhung wird spätestens im März fällig. Fordert Obama zwei Jahre Spielraum, bietet Boehner bislang nur ein Jahr.
So sehr, wie sich Boehner und Obama aufeinander zubewegt haben, so unklar ist, wie ihre jeweiligen Parteifreunde im Kongress darauf reagieren. Schon vor einem Treffen Boehners am Dienstag mit der gesamten republikanischen Fraktion im Haus am Dienstag hatten einige republikanische Abgeordnete ihre Ablehnung signalisiert.
Auf demokratischer Seite hatte in der vergangenen Woche die Abgeordnete Donna Edwards aus Maryland einen von 57 Demokraten unterzeichneten Brief organisiert, um gegen Kürzungen bei den Renten zu protestieren. Auch der demokratische Senatschef Harry Reid aus Nevada hatte dagegen Widerstand angekündigt.
Auf die Annäherung am Montag reagierten Investoren weltweit erfreut: So kletterte der Deutsche Aktienindex auf den höchsten Stand seit fünf Jahren. „Die Chancen für einen baldigen Kompromiss scheinen gestiegen zu sein“, sagte Marktanalyst Roger Peeters vom Bankhaus Close Brothers Seydler. „In den vergangenen Tagen waren die Märkte zunehmend davon ausgegangen, dass die ’Fiskalklippe‘ nicht vor Weihnachten umfahren werden kann. Die neue Chance auf eine baldige Lösung gibt ihnen eine neue Perspektive und Rückenwind.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Sourani über das Recht der Palästinenser
„Die deutsche Position ist so hässlich und schockierend“
Haftbefehl gegen Netanjahu
Sollte die deutsche Polizei Netanjahu verhaften?
Autounfälle
Das Tötungsprivileg
Buchpremiere von Angela Merkel
Nur nicht rumjammern
Deutschland braucht Zuwanderung
Bitte kommt alle!
Spardiktat des Berliner Senats
Wer hat uns verraten?