■ Fischmehlwerbewochen: „Hablo poquísimo español“
Unser Bürgermeister Henning Scherf kann ja so nett lächeln. Auch, wenn er kein Wort versteht. Ein ganz besonders dolles Lächeln gab es gestern beim Empfang einer 16-köpfigen Delegation aus Chile und Peru im Rathaus. Scherf: „Hablo poquísimo español“ – „Ich spreche nur sehr wenig spanisch“. Und dann ging's schnurstracks in den Gobelinsaal, in dem Scherf auf die Büste des südamerikanischen Befreiers Simon Bolívar wies, lächelnd natürlich: „Der einzige Ausländer, den wir hier im Rathaus zulassen.“
Scherfs Lächeln hat einen ernsten Hintergrund: Bremens Fischmehlindustrie ist in Gefahr, seit die Bundesregierung Anfang Dezember wegen BSE nicht nur die Verfütterung von Tiermehl, sondern auch die von Fischmehl verboten hat. Wenn das Frühstücksei danach riecht, stammt es wohl nicht vom Biohof. Aber für BSE soll das Fischmehl, das vor allem aus Chile und Peru kommt, nun doch nicht verantwortlich sein. Immerhin importiert Bremen die Hälfte des gesamten europäischen Fischmehlbedarfs. Satte 350 000 Tonnen werden hier jedes Jahr umgeschlagen, portioniert und quer über den Kontinent verteilt.
Da erzürnt die Fischmehl-industrie natürlich jede auch noch so kleine Einschränkung. „Das Tiermehl-Verbot war das schnellste Gesetz, das es je in der Bundesrepublik gab. Und ohne jede wissenschaftliche Grundlage haben sie damals gleich auch das Fischmehl verboten“, grollt Hasso Masemann von der Vahrer Fischmehl-Firma Becher.
Seit Anfang April ist die Fischmehl-Verfütterung an Geflügel wieder erlaubt. Nur Kühe dürfen die Fisch-Abfälle noch nicht wieder fressen. Für Fischmehl-Masemann ist da noch „viel Ideologie“ mit im Spiel – schließlich sei eine BSE-Übertragung über Fische keineswegs nachgewiesen. Aber um ganz sicher zu gehen, begannen gestern Perus Fischereiminister Ludwig Meier Conejo, Außenhandelsminister Eric Anderson Machado und drei chilenische Botschafter samt Tross ihre Fischmehl-Tour durch Deutschland – natürlich in Bremen. Dabei hätte zumindest Chile als zweitgrößter Lachsproduzent der Welt auch selbst Bedarf für das Trockenfutter.
Sie schenkten Scherf einen Fotoband über Peru und wiesen dabei ganz beiläufig darauf hin, dass chilenisches und peruanisches Fischmehl ausschließlich aus bestandsorientiertem Fischfang unter Mitwirkung der FAO, der Welternährungsorganisation der UN, stammt. Fischmehl allererster Sahne sozusagen. Scherf verstand natürlich nur spanisch, bevor ihm der Dolmetscher nicht übersetzte. Und dennoch mußte er ganz spontan lächeln. ksc
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