Fische im Fluss Aller bei Wolfsburg: Rettung durch maschinelles Beatmen

In der Aller starben im Juli massenhaft Fische, weil Wasser und Sauerstoff fehlten. Durch Belüftung und Wasserzufuhr konnten viele gerettet werden.

Zwei junge Schlammpeitzger auf einer Handfläche.

Können nur überleben in einem Fluss mit genügend Sauerstoff: Schlammpeitzger Foto: dpa / Mohssen Assanimoghaddam

HAMBURG taz | Ein bestialischer, kaum auszuhaltender Gestank, Tausende tote Fische und die Frage, wie man die Situation meistern kann. Nein, es geht nicht um die Oder, sondern um den Fluss Aller bei Wolfsburg. Der niedrige Wasserstand und der geringe Sauerstoffgehalt im Wasser führten hier zu einem Massensterben. Aktuell sind die noch lebenden Fische versorgt, aber eine Frage bleibt: Wieso fließt so wenig Wasser in der Aller?

Der örtliche Angel- und Gewässerschutzverein Wolfsburg-Vorsfelde machte die Stadt bereits Ende Juli auf die toten Fische aufmerksam. Daraufhin wurde Anfang August eine Belüftungsanlage installiert, die eigentlich für Kläranlagen vorgesehen ist. Zudem wird seitdem Wasser aus dem Mittellandkanal in die Aller geleitet. „Das waren hervorragende Maßnahmen, die dort getroffen wurden“, sagt Stefan Ludwig, zweiter Vorsitzender des Angel- und Gewässerschutzvereins. „Das hat den Fischen wirklich substanziell geholfen.“

Er und rund 20 andere Mitglieder des Vereins haben rund 140 Stunden damit verbracht, tote Fische einzusammeln und lebende umzusetzen. „Nicht nur den Fischen geht es schlecht, auch wir kommen langsam an unsere Grenzen“, sagt Ludwig. Deswegen fordert der Verein, dass das Belüftungssystem solange installiert bleibt, bis das Gewässer durch Niederschläge wieder halbwegs gefüllt ist.

Die Stadt Wolfsburg hatte sich jedoch dagegen gesträubt, die Maßnahmen so lange weiterlaufen zu lassen. Die Kosten von rund 300 Euro pro Tag seien gegenüber den Steu­er­zah­le­r*in­nen auf lange Sicht nicht zu rechtfertigen. Und der Dieselgenerator, der das Belüftungssystem mit Strom versorgt, sei eine große Belastung für das Klima.

Stefan Ludwig, Angel- und Gewässerschutzverein Wolfsburg

„Nicht nur den Fischen geht es schlecht, auch wir kommen langsam an unsere Grenzen“

Der Verein setzte sich nun zumindest vorerst durch: Bis Ende August laufen die Maßnahmen auf jeden Fall weiter. Statt mit Diesel, wird der Generator nun mit Benzin betrieben. So soll die Klimabelastung abgemildert werden. Die verbliebenen Fische in der Aller sind damit vorerst sicher. „Wir hoffen auf mehr Niederschlag im September, damit die Aller wieder genug Wasser führt und die Fische ohne Unterstützung überleben können“, sagt Ludwig.

In der Aller leben die bedrohten Arten Schlammpeitzger, Bitterling und der europäische Aal, welcher gerade durch das Aussetzen von Babyaalen wieder stärker verbreitet werden soll. Eine umstrittene Maßnahme – ihnen droht, wie allen anderen Fischen im Fluss, der Tod, sollten das Belüftungssystem und die Wasserzufuhr aus dem Mittellandkanal abgestellt werden.

Stefan Ludwig drängt sich unterdessen ein Verdacht auf: „Wir haben festgestellt, dass oberhalb des Gebietes, wo die Fische gestorben sind, eigentlich noch genug Wasser unterwegs ist. Wir wundern uns: Wo bleibt das Wasser flussabwärts?“ Nur einige Hundert Meter von der Aller entfernt würden Landwirte große Mengen an Wasser verbrauchen, um ihre Felder zu bewässern. „Wo kommt dieses Wasser her?“, fragt Ludwig. Der Verdacht liegt nahe, dass Landwirte illegal Wasser aus der Aller entnehmen.

Die entsprechenden Landkreise, Helmstedt und Börde, habe er bereits auf seine Vermutungen hingewiesen, bis jetzt ohne Ergebnisse. Auch auf Anfrage der taz äußern sich die Landkreise nur defensiv: Es lägen keine Beweise für illegale Wasserentnahmen aus der Aller vor.

Die Stadt Wolfsburg hält es zwar für möglich, dass Landwirte illegal Wasser aus der Aller entnehmen und untersucht den Vorwurf. Eine signifikante Erklärung für den Wassermangel sei damit aber nicht gegeben. Das sieht Ludwig anders.

Der Angelverein will mit weiteren Naturschutzverbänden wie dem Nabu nun auch die legale Wasserentnahme überprüfen lassen. Dafür möchte er sich erneut an die Landkreise wenden. Es gebe Zweifel daran, dass der Grundwasserpegel bei der Vergabe von Entnahmerechten ausreichend einbezogen werde. Vermutlich sei er nicht immer hoch genug.

Bereits Mitte August wurde mit Baggern eine Vertiefung in der Aller ausgehoben. Bei künftigen Trockenzeiten sollen sich die Fische dort sammeln können, um dann gefangen und umgesiedelt zu werden. Der Fluss müsste sich allerdings erst einmal wieder mit Wasser füllen, damit diese Maßnahme greifen kann.

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