Finde den Pharao: Goldjunge für Entdecker
Eine Schau versetzt die Besucher in die Rolle des Ägyptologen Howard Carters, wie er das Grab von Tutanchamun erforscht.
„Soweit unsere Kenntnisse heute reichen, können wir mit Gewissheit sagen, dass das einzig Bemerkenswerte in seinem Leben darin bestand, dass er starb und begraben wurde.“ Diese Bemerkung Howard Carters, der am 4. November 1922 mit seinem Team das Felsengrab des Pharao Tutanchamun im Tal der Könige auf dem Westufer des Nil nahe Luxor entdeckte, gilt für die breite Öffentlichkeit noch heute. Der junge König, der mit etwa neun Jahren den Thron bestieg und zehn Jahre später 1332 v. d. Z. starb, ist weltbekannt wegen seiner Totenmaske und den zahlreichen Schätzen, die in seinem weitgehend intakten Grab gefunden wurden. Und so ist, im heutigen Marketing-Jargon, gelegentlich von einem „Weltstar“, einer „globalen Pop-Ikone“ oder gar einer „Tutomania“ die Rede.
In Berlin konkurriert Tutanchamun freilich mit Nofretee, deren Büste hier steht und die derzeit im Rahmen der Ausstellung „Im Licht von Amarna“ im Neuen Museum zu sehen ist. Auch Tutanchamun wird zu den Armarna-Königen der 18. Dynastie gezählt. Nun können sich Interessierte im Rahmen der Ausstellung „Tutanchamun – sein Grab und seine Schätze“ selbst einen Eindruck davon verschaffen, was dem jugendlichen Pharao zu seinem internationalem Ruhm verholfen hat. Gleichzeitig ist Ägypten auch dieses Jahr wieder auf der Internationalen Tourismus-Börse in den Messehallen am Funkturm präsent, passenderweise mit dem Schwerpunkt Luxor. Denn der Kultur- und nicht der Badetourismus ist nach der Revolution 2011 am stärksten eingebrochen.
Es geht um „Edutainment“
Die Tutanchamun-Ausstellung, die nicht in einem Museum, sondern in der Mehrzweckhalle am Ostbahnhof präsentiert wird, wurde von Semmel Concerts, einem großen deutschen Konzertveranstalter, organisiert. Wie der Projektleiter Christoph Scholz erläutert, versteht sich Semmel Concerts auch als Kulturveranstalter und hat in der Vergangenheit beispielsweise Lesetourneen mit bekannten Autoren wie Frank Schätzing organisiert. Das Konzept nennt Scholz „Edutainment“, also unterschiedlichsten Besucherkreisen „Wissen auf interessante und unterhaltsame Weise darzustellen und mit einem spannenden Erlebnis zugleich Bildung zu vermitteln“. Diesem Ansatz folgt auch die Ausstellung.
Von den 5.389 Objekten, die im Grab Tutachamuns gefunden wurden, sind in der Arena rund 1.000 Exponate zu sehen. Gezeigt werden nicht die Originale, die grötenteils im Ägyptischen Museum in Kairo zu sehen sind, sondern Repliken, die von ägyptischen Handwerkern unter der Aufsicht zweier Ägyptologen angefertigt wurden. Ziel derAusstellung ist die Dokumentation des Grabschatzes, der in den nachgebildeten drei Grabkammern präsentiert wird, sodass die Besucher die Entdeckung Carters „hautnah erleben können“, wie einer der wissenschaftlichen Leiter, Wolfgang Wettengel, erläuterte. Das „Drehbuch“ für die Ausstellung, so Wettengel weiter, fußt auf den Aufzeichnungen von Carter. Hinzu kommt, dass der Fotograf Harry Burton den gesamten Prozess dokumentiert hat, sodass heute bekannt ist, was sich wo in welcher Kammer befand.
Und so kann der Besucher mittels eines Audioguides die Entdeckung Carters nachvollziehen. Auf einen Kurzfilm über Tutanchamun folgt ein zweiter, zum Teil mit nachgestellten Szenen, über den akribischen Hobbyarchäologen selbst. Dieser Teil endet damit, wie Carter am 26. November 1922 ein Loch in die Vorkammer des Grabes bohrt. Die „wunderbaren Dinge“, die er dort erblickte, sieht der Betrachter in der Vorkammer, zu dem der Audioguide als nächstes führt. Es folgt die Grabkammer, wo Carter bei der Öffnung am 17. Februar 1923 eine „goldene Wand“ sah – schließlich musste die Vorkammer zunächst ausgeräumt werden – sowie die eigentliche Schatzkammer. Neben der Totenmaske stießen die Forscher unter anderem auf große, vergoldete Zeremonialbetten in Gestalt von Fabeltieren, goldene Schreine mit den Bildnissen von Göttern und Göttinnen, Schmuckkästen, verzierte Kisten, die weitere Schätze enthieltem, Waffen, Helme und einen zerlegten vergoldeten Streitwagen. Die damaligen Ägypter waren Pragmatiker – zusammensetzen konnte man den Wagen schließlich noch im Jenseits. An dieser Stelle endet die Audioführung.
Im zweiten Teil der Ausstellung sind die schönsten und bedeutensten Objekte des Grabschatzes zu sehen. Unvermittelt steht der Besucher vor der „goldenen Wand“ – der äußere von insgesamt acht verzierten und ursprünglich ineinandergeschachtelten Schreinen und Sakrophargen, die die Mumie des Königs schützten. An dieser Stelle wird die Dimension des Ganzen deutlich – wie vollgestopft das Grab nämlich war. Carter selbst schrieb über den äußeren Schrein: „So ungeheuer war dieses Bauwerk (wie wir später fanden: 5:3, 3:2,73 m hoch), daß es fast die ganze Kammer ausfüllte; nur ein Zwischenraum von ungefähr 65 cm trennte es von allen Seiten von den Wänden, während sein Dach fast bis zur Decke reichte.“
Die Ausstellung in der Arena ist ganz auf die Entdeckung des Grabes und seine Schätze ausgerichtet. Über die Zeit Tutanchamuns erfährt man abgesehen von dem kurzen Filmchen am Anfang nichts. Dabei fiel dessen Amtszeit in eine wichtige Periode der altägytischen Geschichte. Sein Vater war vermutlich der Pharao Echnaton, der je nach Neigung als Reformer, Ketzer, erster Monotheist, Bilderstürmer oder religiöser Fundamentalist bezeichnet wird. Wer darüber mehr wissen möchte, wird in der Amarna-Ausstellung gut über diese Zeit politisch-religöser Spannungen informiert.
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