Finanznot der Kommunen: Sachsen macht sich selbst arm
In Sachsen wächst die Empörung gegen die Sparvorgaben der Regierung. Vor allem soziale Projekte, aber auch die Polizei, sind betroffen. Opposition fordert "Runden Tisch Finanzen".
DRESDEN taz | In Sachsen herrscht Alarmstimmung: Selbst der Christliche Verein Junger Menschen (CVJM) hält sich mit Kritik an der sächsischen CDU nicht mehr zurück. Die Jugendhilfe des Freistaates, aber auch Sozialeinrichtungen oder Lehrer befinden sich im Aufstand, denn der drastische Sparkurs der schwarz-gelben Landesregierung bewirke einen "Abschied von sinnvoller Jugendhilfeplanung", so die Linken-Jugendpolitikerin Annekatrin Klepsch. Am Montag protestierten 650 Bürger in Leipzig gegen die Kürzungspläne, für heute haben die Träger der freien Jugendhilfe zu einer Kundgebung vor dem Landtag aufgerufen.
Sachsen steht, wie andere ostdeutsche Bundesländer auch, vor dem bislang heftigsten Einbruch seiner Landesfinanzen. Steuerausfälle und zurückgehende Solidarpaktmittel lassen den kommenden Landeshaushalt um 1,7 Milliarden Euro schrumpfen, das sind etwa 11 Prozent des bisherigen Umfangs. Bereits jetzt hat Finanzminister Georg Unland (CDU) die Ministerien zu einer globalen Einsparung von 100 Millionen Euro verpflichtet.
Nach Ansicht der Opposition und der Betroffenen spart Schwarz-Gelb aber konzept- und gedankenlos und setzt die falschen Prioritäten. Die bisherige Jugendpauschale von 14,30 Euro, die das Land pro Kopf den Kommunen überweist, wird um ein Drittel gekürzt. Diese Einsparungen fallen mit fünf Millionen Euro insgesamt wenig ins Gewicht, haben aber verheerende Auswirkungen. So werden beispielsweise die Stellen im Freiwilligen Sozialen Jahr mehr als halbiert.
Betroffen von Kürzungen sind ferner das Programm Kommunal-Kombi für Langzeitarbeitslose, die Polizei, die Gleichstellungsarbeit, die Weiterbildung, die Schulsanierung und Lehrer, denen für 2010 ursprünglich eine Rückkehr aus der Zwangsteilzeit zugesagt worden war. Nicht gerüttelt wird hingegen an den 250 Millionen Euro für den Straßenbau. Im Gegenteil. Mammut- und Prestigeprojekte wie die Waldschlösschenbrücke in Dresden und der Leipziger City-Tunnel schlagen mit drastischen Kostensteigerungen zusätzlich zu Buche. "Asphalt und Beton statt Bildung und Soziales", beschreibt deshalb Linken-Landtagsfraktionschef André Hahn das Motto von Schwarz-Gelb.
Vor allem aus der Jugendarbeit regt sich dagegen ein Protest, wie er nicht einmal in den schwierigen Neunzigerjahren vorkam. "Damit öffnet man den Rechtsextremen die Türen der Jugendclubs", warnt die Aktion Zivilcourage in Pirna. "Wer der Jugendarbeit die Grundlage entzieht, ist mitverantwortlich für die Ausbreitung von demokratiefeindlichem Denken", kritisiert Christian Demuth vom Dresdner Verein Bürger Courage. Der Deutsche Gewerkschaftsbund, Sozialverbände, die Landesarbeitsgemeinschaft Jungen- und Männerarbeit, die Evangelische Akademie Meißen - sie alle befürchten eine Zerschlagung der in 20 Jahren aufgebauten Strukturen.
SPD-Landes- und Fraktionsvorsitzender Martin Dulig, der schon den Rücktritt von Sozialministerin Christine Clauß (CDU) gefordert hat, verlangt deshalb einen runden Tisch zum Thema Finanzen. Der solle sich öffentlich über Unverzichtbarkeiten und Prioritäten verständigen. Doch Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) hat bisher am Dialog kein Interesse gezeigt, wie Lehrerverbände und die Polizeigewerkschaft kritisierten.
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