Thüringer Bürgerkonto: Millionäre sollen Schulden abbezahlen
Das Bundesland Thüringen hat ein Bürgerkonto zur Tilgung seiner Schulden eingerichtet. Vorbilder für diese Idee gibt es, doch deren Erfolg hält sich in Grenzen.

Bekommt bald Post: Marius Müller-Westernhagen hatte sich über zu niedrige Steuersätze beschwert. Bild: dpa
DRESDEN taz | Sitzen überall im Lande von schlechtem Gewissen geplagte Millionäre, die nicht wissen, wie sie ihren ganz persönlichen Beitrag zur Tilgung der 2 Billionen Staatsschulden leisten können? Das legt die 2010 gegründete bundesweite "Tilgungsinitiative" nahe. Nach einer Landtagsinitiative der Thüringer FDP vom November wissen nun zumindest betuchte Thüringer und Freunde, wie sie dem Bundesland aus der Schuldenfalle helfen können. Mit Jahresbeginn hat das Erfurter Finanzministerium ein Konto eingerichtet, das jedem Bürger ein gutes Gewissen verschafft, der sich mit seinen Steuern nicht ausgelastet fühlt.
Die Thüringer FDP wendet sich ausdrücklich "nicht an die breite Masse der Steuerzahler", teilt Sprecher Jens Panse mit. Vielmehr wolle man "wohlhabenden Menschen in Deutschland die Gelegenheit geben, zusätzliche Beiträge zur Schuldentilgung zu leisten".
Fraktionschef Uwe Barth hatte in der Landtagsdebatte den Musiker Marius Müller-Westernhagen zitiert, der für höhere Steuern plädierte, wenn sie diesem Zweck dienten. Ihn will die Thüringer FDP jetzt anschreiben. Mit dem leuchtenden Beispiel einer eigenen Einzahlung sind die Thüringer Liberalen allerdings noch nicht vorangegangen.
Das Haushaltsrecht erlaubt eine Zweckbindung von Steuereinnahmen zur Schuldentilgung nicht. Diese Beschränkung wird durch das Bürgerkonto umgangen. Der FDP-Antrag fand im November-Plenum breite Zustimmung, hinter vorgehaltener Hand wird über die Idee aber eher gewitzelt. Denn an der Verschuldung des Freistaates von 7.243 Euro pro Kopf im Jahre 2010 dürfte sich durch den Vorstoß bestenfalls hinter dem Komma etwas ändern.
25.000 Euro in einem Jahr
Und wer seinen Altruismus gegenüber Vater Staat einfach nicht zügeln kann, hatte auch bislang schon die Möglichkeit, sich mit seiner Spende an die Länderfinanzministerien zu wenden, heißt es etwa aus Sachsen. Thüringen weist jedoch darauf hin, dass es sich nicht um Spenden im steuerrechtlichen Sinn handelt.
Vorbilder für den Vorstoß gibt es im Bund. So erzielte eine private "Schuldentilgungsinitiative" durch eine Einzelspende von 100.000 Euro an Finanzminister Wolfgang Schäuble im Herbst 2010 immerhin einen Achtungserfolg. Inzwischen gibt es bei der Leipziger Bundesbankfiliale bereits seit einem Jahr ein solches Konto, wie es nun in Thüringen geplant ist. Dessen Stand aber belief sich im Dezember 2011 auf ganze 25.000 Euro.
Leser*innenkommentare
Alexander Dill
Gast
Es ist Unsinn, dass in der freiwilligen Tilgung nur Millionäre angesprochen werden. Wir von http://www.hurrawirtilgen.de tilgen auch mit kleineren Beträgen, weil wir als Bürger die Hoheit über unsere Staatsfinanzen zurückgewinnen möchten.
Solange nur "die Reichen" oder andere unserer aller Schulden tilgen sollen, wie es auch im Programm der Grünen steht, wird die Entfremdung von Bürger und Staat nicht überwunden.
Ich wünsche Thüringen deshalb 3000 kleine Spender, die je 20 Euro überweisen, denn es geht bei der freiwilligen Tilgung um die Zurückgewinnung der Verantwortung für die Gemeinschaft.
guntherkummmerlande
Gast
Die Idee ist ja nicht dumm nur leider sehr
schlecht umgesetzt.
Damit das funktioniert sollte man
für neue Investitionsobjekte des Freistaates
Thürringen Spenden von Millionären
annehmen, die dann auf die Ausgestaltung
betimmter Anlagen Einfluss nehmen dürfen,
indem ihr Geschmack beim Bau öffentlicher
Gebäude, Brücken, Theatervorführungen, Straßenausbesserungen
besondere Beachtung findet.
D.h. die Vorschläge werden umgesetzt, solange
nicht Bürgerproteste oder Klagen aufkommen
oder Verbesserungsvorschläge auch von
den Privatiers akzeptiert werden.
Dies könnte u.a. helfen die hässlichen
Zweckbauten wieder etwas zurückzudrängen
und möglicherweise auch Schulen zu bauen,
die einen Wohlfühlfaktor haben oder
Zooanlagen zu bauen, die ein wildtiernahes
Sozialverhalten und Fortpflanzungsverhalten
ermöglichen.
Weitere Beispiele wären Krebsstationen
mit lebenswürdiger Umgebung,
Tierheime, Bücher für Bibliotheken.
Nur direkte Arbeitsplätze oder direkter
Einfluss auf Forschung und öffentliche Meinungsbildung darf nicht erhoben werden.
Investitionen in den öffentlichen Nahverkehr
wären natürlich auch zugelassen.
Das könnte ganz beträchtlich die Finanzen
von Thürringen entlasten!!
Es gäbe also genug Investitionsmöglichkeiten
für Privatiers. Man muss nur sicherstellen,
dass Sie nach erfolgter Investition und
fachgerechter Ausführung eine öffentliche
Würdigung/Gedenktafel bekommen, aber keine
hoheitlichen Befugnisse haben und
auch sonst nicht Klüngelwirtschaft initiieren
dürfen.
Durch die Entlastung bei den Neuinvestitionen
kann Thürringen sich besser auf die
Schuldentilgung konzentrieren.
Durch einen privaten Zusatzfond für
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jede einzelne Fakultät der Hochschulen
und Schulen könnten die dortigen
Finanzmittel sinnvoll angespart oder
investiert werden. Das Geld darf aber nicht
zu Gehaltserhöhungen aufgewendet werden.
Der Fonds wird geteilt in Gemeinschaftsprojekte
und Individualprojekte.
Über die Individualprojekte entscheidet
jede Lehrkraft selber. Die Gemeinschaftsprojekte
werden demokratisch entschieden.
So kann der Unterfinanzierung entgegengetreten
werden!
Die privaten Zusatzfonds sollten Sammelfonds
sein, die von vielen gleichwertigen
Einzahlern gespeist werden, egal wieviel
Sie eingezahlt haben.
Sie sollen vor allem bessere Labore
und eigene Labortätigkeit außerhalb
des Lehrplans für Studenten, Lernmittel,
Zusatzforschungsstellen, Spin-Offs,
Zusatzlehr(er)stellen, Fernstudienbriefe,Lern-DVDs,
Internetlernplattformen, Symposien,
Auslandsaufenthalte, Stipendien für arme Studenten
finanzieren.
Der Freistaat Thürringen muss weiterhin
eine solide Grundfinanzierung leisten, aber
die Schulen und Hochschulen erhalten
somit die Möglichkeit bei besonderer Qualität
durch die Privatinvestoren in ihren Bemühungen
zusätzlich belohnt zu werden und sich
immer weiter zu verbessern. Je erfolgreicher
die Generationen in Thürringen sind, desto
mehr bleiben dort und gewährleisten ein
hohes Steueraufkommen. Das Abwandern von Fachkräften
nimmt ab oder die Tendenz kehrt sich um.
Juergen K.
Gast
Wie pervers.
ZWANGHAFT für mich ist dann auch, dass Frewiwilligenkonten eingerichtet werden, aus denen Diäten und Pensionen für Politiker gezahlt werden.
Weiße Rose
Gast
Da bin ich glatt zu Tränen gerührt...
Vielen Dank ihr lieben Millionäre und Milliardäre!
Und natürlich ein dreifaches "Hurra!" auf die neuen Sozialisten von der FDP! Aber übertreibt es bitte nicht gleich mit der Verteilungsgerechtigkeit, ja?
Sascha
Gast
Wenn auch nur 1% der reichten 1%, nur 1% ihres Vermögens spenden ...
Für mich nichts weiter als eine Steuererhöhung der Reichen zu verhindern. Ein Tropfen auf dem heißen Stein, der nichts ändert.
Marius Müller-Westernhagen ist nun in der Zwickmühle der FDP. Entweder er spendet und damit ist es ein Erfolg für diese Aktion, wodurch das Schuldenproblem ja nicht mehr so "dringend" ist und sich anderer Probleme als Steuergerechtigkeit angenommen werden kann.
Oder er spendet nicht, dann ist sein Ruf beschädigt.
Mehr als ein Ablenkungsmanöver ist das jedenfalls nicht. Es soll das Problem nicht lösen, sondern nur davon ablenken.