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Finanzkrise belastet LandesetatEurobonds werden teuer für Berlin

Die viel diskutierten Eurobonds könnten auch den Berliner Landeshaushalt belasten, warnt Finanzsenator Ulrich Nußbaum. Die FDP spricht von bis zu 1,5 Milliarden Euro an zusätzlichen Zinsausgaben

Was rollt denn da auf Berlin zu? Bild: dpa

Die derzeit in der Bundesregierung diskutierten Eurobonds können sich nach Ansicht von Finanzsenator Ulrich Nußbaum (parteilos) mittelfristig negativ auf das hoch verschuldete und auf Kredite angewiesene Land Berlin auswirken. Der Grünen-Haushaltsexperte Jochen Esser sieht das Land sogar "relativ rasch" vor Problemen. Auch der Wirtschaftswissenschaftler Moritz Schularick von der Freien Universität schließt nicht aus, dass die Zinsen für Berlin mittelfristig steigen könnten. Konkrete Zahlen nennt allein die FDP: Sie hält es für möglich, dass Berlin künftig 1,5 Milliarden Euro jährlich mehr an Zinsen für seine Schulden zahlen muss. Derzeit sind es 2,5 Milliarden.

Bei den Eurobonds geht es um gemeinsame Staatsanleihen aller 17 Euroländer. Ihre Befürworter sehen darin eine Möglichkeit, der fortwährenden Eurokrise entgegenzuwirken. Der Knackpunkt: Deutschland gilt den äußerst einflussreichen Ratingagenturen als kreditwürdiger als Spanien oder Griechenland. Bei einer gemeinsamen Staatsanleihe aber träfe man sich in der Mitte - Deutschland stünde schlechter da als bisher.

Damit würde laut Nußbaum auch Berlin abgestuft, denn für Bund und Länder gelte stets die gleiche Einschätzung. Was jedes schwächelnde Unternehmen mit Geldbedarf bei seiner Hausbank erfährt, gälte dann auch für Berlin: je weniger kreditwürdig, desto härter die Bedingungen.

"Es wird für uns teurer - die Zinsen werden steigen", prognostiziert der Grüne Esser. Das würden zwar alle Bundesländer erleben, gemessen an der Einwohnerzahl ist jedoch kaum eines so hoch verschuldet wie Berlin: Über 60 Milliarden Euro Schulden belasten den Landeshaushalt. 60 Prozent davon sind laut Finanzverwaltung des Senats an der Börse handelbare Wertpapiere, 40 Prozent Schuldscheine. Der Großteil der jährlich neuen Kredite dient dazu, die Zinsen für die alten zu bezahlen.

Weder Esser noch Senator Nußbaum wollen konkrete Zahlen nennen, wie teuer die Eurobonds für Berlin werden könnten. Am wenigsten aufgeregt äußert sich CDU-Haushälter Uwe Goetze: International würden sich vielleicht die Bedingungen verschärfen, bei Sparkassen aber kann er sich keine schlagartige Erhöhung vorstellen.

Die FDP-Fraktion ist da weniger zurückhaltend. "Es könnten zusätzliche Zinsbelastungen bis zu einer Höhe von 1,5 Milliarden Euro auf das Land Berlin zukommen", kritisiert ihr Fraktionschef Christoph Meyer. Dabei bezieht er sich auf eine Berechnung des Münchner Ifo-Instituts, das für die ganze Bundesrepublik auf eine zusätzliche Belastung von rund 50 Milliarden Euro kommt. Ein Sprecher des Ifo stellte die FDP-Rechnung gegenüber der taz allerdings infrage: Die Zahl lasse sich nicht so einfach auf Berlin runterbrechen.

Was auf jeden Fall gilt: Höhere Zinsen würden sich schrittweise und nicht auf einen Schlag bemerkbar machen. Von den 60 Milliarden Euro Schulden, die laut Grünen-Experte Esser durchschnittlich mit 3 Prozent verzinst sind, laufen jedes Jahr Kreditverträge über etwa 10 Milliarden aus und müssen neu gedeckt werden. Würde sich der jetzige durchschnittliche Zinssatz auch nur um 1 Prozentpunkt erhöhen, hieße das für den Landeshaushalt nach taz-Berechnungen: im ersten Jahr 100 Millionen Euro mehr, im zweiten 200 und so weiter.

FU-Experte Schularick will sich nicht auf diese Weise festlegen: "Da sind zu viele Wenns und Abers dabei." Noch sei ja nicht einmal sicher, ob die Bonds kommen und wie sie dann eingestuft würden, sagte er der taz. Er verweist darauf, dass die Diskussion um Eurobonds und die Auswirkungen vor allem eine bundespolitische sei: "Natürlich muss uns das Thema interessieren - aber in erster Linie als deutsche Staatsbürger."

Letztlich stehe der Bund für die Schulden Berlins gerade. Diese Garantie mindere zum einen das Risiko für Banken und Finanzmärkte, dem Land Geld zu leihen. Zum anderen bedeute das, dass sich die Zinsen Berlins immer an denen des Bundes orientierten. "Griechenland und Berlin sind sich in dieser Hinsicht ähnlich, nur dass die Griechen weiter südlich leben", so Schularick. Hinter Berlin mit seiner wackligen Finanzlage stehe der Bund, die Griechen hätten es gern, dass Europa ihnen den Rücken stärkt und dadurch die Zinsen sinken.

Auch Ferdinand Fichtner vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin wiegelt ab. "Ich denke insgesamt, dass die Zinswirkungen überschätzt werden", so der Volkswirt der taz. Er bezieht das auf ganz Deutschland - für das Land Berlin sehe er höchstens marginale Folgen.

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8 Kommentare

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  • SB
    Siegfried Bosch

    Und schon wieder trommelt die TAZ für Eurobonds. Oder wieso sonst wird am Ende der Herr Fichtner mit seiner überhaupt nicht begründeten Meinung ("Ich denke [...]") zitiert?

    @RoMina: Inwiefern soll diese Aussage fundiert sein?

    @Chrescht: Natürlich hat D ein höhere Gewicht als Gr, aber man muss auch Italien und Spanien (und Portugal und Irland) berücksichtigen. Und dann schaut es schon nicht mehr so gut aus. Und wenn Frankreich auch noch herabgestuft wird (und seine Zinsen steigen -- das ist eine nichttriviale Bedingung, wie man an den USA sieht), kann weiß Gott was passieren.

    @Weinberg: Was haben denn die EU-Staaten hiermit zu tun? Wieso sollte z.B. Schweden oder Dänemark wegen des Sparprogramms in den PIIGS-Staaten als Exportmarkt ausfallen? Wenn Sie wirklich ernsthaft diskutieren wollten, müssten Sie übrigens noch nicht einmal den Anteil in die Eurostaaten (ca. 40 % und sinkend) anführen, sondern einzig den in die PIIGS-Länder.

  • W
    Weinberg

    Weiß der Berliner Finanzsenator Nußbaum, dass sechzig Prozent der deutschen Exporte in die EU-Staaten gehen?

     

    Ohne EU-Staatsanleihen (neudeutsch: Eurobonds) wird sich die Situation für die deutschen Exporte in die EU-Staaten dramatisch verschlechtern, denn wenn Staaten wie Spanien und Italien künftig ihre Finanzmittel für teure Staatsanleihen (an denen die Deutsche Bank garantiert prächtig verdienen wird) ausgeben müssen, dann bleibt letztlich kein Geld für Importe aus Deutschland übrig. Beispielsweise kann Mercedes dann seine Luxuskarossen auf dem Werkshof in Untertürkheim im Kreis fahren lassen – mangels Käufern in anderen EU-Staaten.

     

    Ich bezweifele, dass dies der Berliner SPD-Import Nußbaum bei seiner Milchmädchen-Rechnung bedacht hat. Eine Bemerkung zu den "Experten" von CDU/CSU und FDP erspare ich mir.

  • C
    Chrescht

    In diesen gesamten panischen Wirtschaftsdiskussionen gibt es zuviel Meinung und noch viel mehr blinder und kleinteiliger parteipolitischer Glauben, den fast alle Medien leider unreflektiert übernehmen. Auch die taz: "Bei einer gemeinsamen Staatsanleihe aber träfe man sich in der Mitte - Deutschland stünde schlechter da als bisher."

    Vielleicht stünde D. aktuell etwas schlechter da (später sogar wahrscheinlich) aber der Zinssatz wär sicher nicht in der Mitte. 1. Müsste man wirtschaftliches Gewicht (z.B. D vs Gr) in Rechnung stellen und 2. vor allem haben die Anleger kaum eine andere Wahl als ihre riesige Liquidität in Eurobonds zu stecken. Trotz Abwertung und schlechter Zahlen sanken etwa auch die Zinssätze für US treasuries: Die übersättigten Anleger wollen aus Aktienmarkt flüchten, wohin bloß?

    Einem Rekordstand Schulden steht schließlich auch ein Rekordguthaben entgegen und das sucht aktuell ebenso schwache Spekulationsobjekte wie -etwa versicherungsfonds- sichere (too big to fail) Häfen. Eurobonds wären (wie treasuries) eine sichere Titanic (sic), wenn die untergeht ist weltweit eh alles zu spät.

    Ob man das so wollen sollte, ist aber eine andere Frage.

  • LL
    Lila Lotos

    Naja, wenn die FDP und der Oberschwachmaat von der Deutschen Bank dagegen sind, dann überleg ich kurz in wessen Interesse die handeln. Kurzum, ist nicht meins, wars nie, kann also nur dafür sein, wogegen die sind...

    Logisch, oder?

  • OP
    Otto Pardey

    Vor Jahren hat Oskar Lafontaine bei den Linken

    für die notwendige Einführung von Eurobonds ge-

    worben und er wurde ignoriert bzw.nicht ernst ge-

    nommen.

    Nun schmücken sich einige geistig unterbelichtete

    deutsche Politiker mit dieser Idee!

  • R
    RoMina

    Warum schreibt die taz all die hahnebüchene Angstmacherei der versammelten Regierungsdummheit ab, um dann zum Schluss den einzigen fundierten Hinweis im ganzen Artikel, nämlich den des DIW-Forschers, nicht einmal anzudiskutieren? Die Überschrift wie auch die Stoßrichtung des Artikel werden so zur groben Irreführung. Beide taugen lediglich, um die Kürzungswut "parteiloser" Fischfabrikanten zu rechtfertigen. @Maik: leider drauf reingefallen

  • E
    EuroTanic

    Gemeinsame Euro Bond sind wie eine Titanic ohne Schotten. Mit Schotten kann nur ein einzelner Staat pleite gehen und Konkurs anmelden. In einem einzigen Europa-Schiff mit einer einzigen gemeinsamen Anleihe, also ohne Nationen mit gegenseitigen Schotten, wird die EuroTanic unweigerlich untergehen.

  • M
    Maik

    Das macht den Fans der Eurobonds nichts aus. Das Pech: büßen müssen leider alle.