Finanzhoffnung China: Bittsteller im Reich der Mitte
Nicht nur die Deutschen, auch Europäer und Asiaten setzen auf China mit seinen weltgrößten Devisenreserven: Das umworbene Peking jedoch reagiert zurückhaltend.
PEKING taz "Indem wir die Dynamik und Robustheit unserer Region beibehalten, können wir Europa helfen." Der Generalsekretär der südostasiatischen Staatengemeinschaft Asean, Surin Pitsuwan, zeigt mit diesen Worten, wie sich gerade durch die internationale Finanzkrise das globale Machtzentrum nach Asien verschiebt.
"Wir können jetzt erst mal keine Investitionen mehr aus Europa oder Amerika bekommen", sagte Surin am Freitag in Peking vor Journalisten. Denn in der gegenwärtigen Krise brauchten Europäer und Amerikaner ihre Mittel selbst. "Deshalb müssen die Ressourcen aus unserer Region kommen," schlussfolgert Surin.
Im Fokus steht dabei Peking, wo am Freitagnachmittag der asiatisch-europäische Gipfel (Asem) begann. Das Treffen der Staats- und Regierungschefs aus 43 Ländern - 16 aus Asien, 27 aus Europa - wird ganz von der Finanzkrise dominiert.
China hat nicht nur einen Haushaltsüberschuss, sondern mit 1,9 Billionen US-Dollar auch die weltgrößten Devisenreserven. Japan folgt mit 1 Billion, ist aber defizitär und hoch verschuldet. EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso und der EU-Ratsvorsitzende, Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy, sind nach Peking gereist, um China zur Teilnahme am Mitte November in Washington geplanten Finanzgipfel der G 20 aufzufordern. Auch drängen die Europäer China, sich aktiv an einer Lösung zu beteiligen. Peking ist plötzlich der Hoffnungsträger.
Chinesische Offizielle betonen zwar, wie wichtig Kooperation sei, was auch eine Warnung vor unilateralen Schritten westlicher Länder ist; doch trotz der signalisierten Bereitschaft halten sich die Chinesen über ihre eigene Rolle bedeckt. So wollte der Außenamtssprecher zu Beginn des Asem-Gipfels noch nicht einmal bestätigen, dass China die Einladung nach Washington überhaupt annimmt.
Der nur 24 Stunden dauernde Asem-Gipfel wird keine verbindlichen Beschlüsse zur Krise fassen, er dient nur dem Austausch und dem Meinungsbildungsprozess. Im Entwurf für die Abschlusserklärung zur Finanzkrise wird zu "verantwortlicher und gesunder Geld-, Finanz- und Regulierungspolitik" aufgerufen. Die bisher ergriffenen Maßnahmen werden begrüßt, Krisenstaaten an den Internationalen Währungsfonds (IWF) verwiesen. Ansonsten unterstützt Asem den Finanzgipfel in Washington.
Bundeskanzlerin Angela Merkel rief Schwellenländer zur Mitwirkung am Aufbau einer neuen Weltfinanzordnung auf. Sie eröffnete die erste Arbeitssitzung zur Finanzkrise hinter verschlossenen Türen. "Die weltumspannenden Folgen der gegenwärtigen Finanzmarktkrise machen überdeutlich, dass wir diese Aufgabe nicht allein im Kreis der G 8 lösen können", sagte sie laut Redemanuskript. Auf dem Gipfel sollten sich die Staaten nach Merkels Ansicht auf mehr Transparenz der Finanzmärkte, neue Anreizstrukturen und eine strengere Aufsicht über die Märkte einigen.
Auch die Südostasiaten setzen auf die Volksrepublik: "China sollte mehr Produkte von uns kaufen, stärker bei uns investieren und mehr Touristen zu uns schicken", wünscht sich Asean-Generalsekretär Surin. Indonesiens Präsident Susilo Bambang Yudhoyono warnt die Europäer eindringlich vor Protektionismus. Damit würden sie sich selbst schaden. Asien hätte seine Lektionen aus der Asienkrise gelernt: "Wir Asiaten werden eine wichtige Quelle des Wachstums in der Weltwirtschaft bleiben."
In China, wo das Wachstum erstmals seit fünf Jahren auf unter 10 Prozent gesunken ist und es schon Firmenpleiten gibt, teilen nicht alle den Optimismus. "Am Ende des Tages wird die ganze Welt eine Rezession erleben," meinte Zhu Min, Vizepräsident der Bank of China. "Wir Asiaten sollten nicht denken, wir stehen darüber."
Frankreichs Präsident Sarkozy, der bei der Eröffnung die Universalität der Menschenwürde betonte, versprach, mit einem gemeinsamen europäischen Vorschlag zum Washingtoner Finanzgipfel zu reisen. Die Asiaten sollten diesen Vorschlag unterstützen. Angesichts der Differenzen zwischen Sarkozy und Merkel im Blick auf Staatsfonds scheinen die Asiaten untereinander einiger zu sein als die Europäer.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
EU-Gipfel zur Ukraine-Frage
Am Horizont droht Trump – und die EU ist leider planlos
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
Erderwärmung und Donald Trump
Kipppunkt für unseren Klimaschutz
Wirbel um KI von Apple
BBC kritisiert „Apple Intelligence“