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Finanzexpertin über die Deutsche Bank„Die Rosinenpickerei ist vorbei“

Die Deutsche Bank muss ihr Geschäftsmodell ändern, sagt DIW-Forschungsdirektorin Dorothea Schäfer. Erst dann werde sie für die Investoren wieder glaubwürdig.

Die Deutsche Bank steht im Regen Foto: reuters
Ulrike Herrmann
Interview von Ulrike Herrmann

taz: Frau Schäfer, ist die Deutsche Bank bald pleite?

Dorothea Schäfer: Nein.

Warum wird dann darüber spekuliert, dass die Deutsche Bank demnächst in den Konkurs rutschen könnte?

Weil völlig klar ist, dass die Rücklagen nicht ausreichen, um die ganzen Justizstreitigkeiten zu begleichen, die auf die Bank noch zukommen. Also wurden die Anleger nervös, als kürzlich durchsickerte, dass die USA bis zu 14 Milliarden Dollar verlangen könnten, weil die Bank vor der Finanzkrise windige Hypothekenpapiere vertrieben hatte.

Wo soll das Geld herkommen, das die Bank benötigt?

Sie muss frisches Kapital bei ihren Aktionären einsammeln.

Im Interview: Dorothea Schäfer

ist Forschungsdirektorin Finanzmärkte am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) und Professorin der Jönköping International Business School.

Seit der letzten Finanzkrise hat die Deutsche Bank bereits 21 Milliarden Euro von ihren Aktionären erhalten. Dieses Geld ist inzwischen verbrannt. Warum sollten Anleger bereit sein, neues Geld zu investieren?

Die Deutsche Bank muss ihr Geschäftsmodell ändern, dann ist sie auch für die Investoren wieder glaubwürdig. In der Vergangenheit sind die Gewinne der Bank nicht etwa überwiegend an die Aktionäre gegangen – sondern wurden vor allem als Boni an die Investmentbanker ausgeschüttet. Das muss sich grundlegend ändern.

Die Bank sagt, sie müsse so hohe Boni zahlen, um die besten Talente zu halten.

Wenn die Investmentbanker angeblich so talentiert sind, warum hat die Bank dann im letzten Jahr einen Rekordverlust eingefahren, und warum ist die Aktie so tief gefallen? Diese Argumentation beißt sich in den Schwanz.

Wie viel frisches Kapital würde die Deutsche Bank benötigen?

Ich rechne mit etwa 3 bis 7 Milliarden Euro.

Das sind doch „Peanuts“. Warum fällt es der Bank so schwer, diese eher geringen Summen zu mobilisieren?

Die Deutsche Bank will eine Kapitalerhöhung unbedingt vermeiden, weil ihre Aktien an der Börse derzeit nur noch knapp 12 Euro wert sind. Man bräuchte also sehr viele Aktien, um den anvisierten Betrag hereinzubringen. Trotzdem gibt es zu einer Kapitalerhöhung keine Alternative. Sonst brodelt die Gerüchteküche immer weiter, und die Deutsche Bank wird zu einem Spielball der Spekulanten.

Deutsche-Bank-Chef Cryan findet sowieso, dass vor allem die Spekulanten daran schuld sind, dass der Börsenkurs seiner Bank so niedrig ist. Hat er recht?

Was stimmt: Die Deutsche Bank ist von Spekulanten attackiert worden, die im großen Stil Leerverkäufe genutzt haben.

Das müssen Sie erklären.

Bei Leerverkäufen veräußern Spekulanten Aktien, die sie gar nicht besitzen, um den Kurs zu drücken. Diesen Trick sollte man gesetzlich verbieten. Die Tricksereien schädigen das Vertrauen in den Aktienmarkt. Aber natürlich kann diese Spekulation allein nicht erklären, warum die Deutsche Bank jetzt in Schwierigkeiten ist.

Was hat sie falsch gemacht?

Die Deutsche Bank hat seit den 1990er Jahren versucht, die Investmentbanken in den USA zu imitieren. Dabei ist sie eindeutig über das Ziel hinausgeschossen, was ihr nun die ganzen Prozesse einträgt. Die Deutsche Bank sollte sich von diesen relativ windigen Geschäften verabschieden – und ihren Derivatehandel stark eindämmen.

Die Wettgeschäfte mit den Derivaten machen aber knapp ein Drittel der Bilanzsumme aus und tragen etwa die Hälfte des Gewinns bei. Wenn das wegfällt – was bleibt dann von der Deutschen Bank noch übrig?

Die Deutsche Bank hat gar keine Alternative. Sie muss das Geschäft mit den Derivaten stark reduzieren. Der niedrige Aktienkurs signalisiert: Die Investoren haben kein Vertrauen. Sie können die Risiken aus den Derivategeschäften nicht einschätzen, und stoßen die Aktie daher vermehrt ab.

Die Deutsche Bank sollte also zu einer Art größeren Sparkasse in Frankfurt werden?

Ohne den Derivatehandel würde die Deutsche Bank zwar deutlich schrumpfen, aber es würden ertragsstarke Geschäftsfelder übrig bleiben. Dazu gehören die Betreuung der Großunternehmen, die Vermögensverwaltung und das Management von Wertpapieren. Aber die Zeit der Rosinenpickerei ist für die Deutsche Bank vorbei. Sie muss sich jetzt auch um die normalen Kunden und die kleinen Mittelständler bemühen.

Ist die Deutsche Bank ein Sonderfall – oder zeigt die desolate Lage, dass bald wieder eine Finanzkrise drohen könnte?

Eine neue Finanzkrise ist unwahrscheinlich. In Deutschland läuft die Konjunktur so gut, dass es kaum notleidende Kredite gibt. In Krisenstaaten, wie Italien oder Portugal, gibt es zwar mehr Darlehen, die nicht mehr bedient werden, aber auch das ist beherrschbar. Die Deutsche Bank hat es mit hausgemachten Problemen zu tun.

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