piwik no script img

Finanzexperte über Ratingagenturen"Das ist natürlich Mist"

Die großen Bewertungsagenturen funktionieren so, als ob man beim Lehrer für seine Schulnote bezahlt, kritisiert Finanztest-Chef Hermann-Josef Tenhagen.

Die Ratingagentur Standard & Poor's hat nach mehreren Euroländern auch den Rettungsschirm EFSF auf AA+ herabgestuft. Bild: dapd
Felix Lee
Interview von Felix Lee

taz: Herr Tenhagen, Standard & Poor's hat nun auch den Euro-Rettungsschirm EFSF herabgestuft. Welche Auswirkungen wird das haben?

Hermann-Josef Tenhagen: Zunächst muss das gar keine haben. Auch ein AA+ stellt immer noch eine gute Bewertung dar, zumal der Rettungsschirm bei den anderen beiden Agenturen noch immer das beste Rating genießt. Es kann aber sein, dass es für den Rettungsschirm in der nächsten Zeit teurer wird, neues zu Geld leihen. Dazu muss es aber nicht kommen. Auch die USA wurden vor einem halben Jahr heruntergestuft. Und trotzdem kommen sie momentan so billig wie lange nicht mehr an Geld heran.

Steht die Finanzierung des Rettungsschirms auf dem Spiel?

Nein, es wird ja nicht die Bonität des EFSF an sich infrage gestellt. Die Frage ist ja nur: Zu welchem Preis? Und natürlich lässt sich mit dem besten Rating leichter Geld leihen als mit einer nicht ganz so guten Bewertung. Aber auch vor der Herabstufung musste Frankreich schon deutlich höhere Zinsen zahlen als das gleich bewertete Deutschland.

Wie ist es überhaupt dazu gekommen, dass die Urteile dieser privatwirtschaftlich betriebenen Agenturen so wichtg genommen werden?

Ursprünglich hat der Geldanleger diese Agenturen dafür bezahlt, damit sie was über die Sicherheit einer möglichen Anlage erzählen. Das hat sich geändert. Um zu verhindern, dass obskure Geldanlagen überhand nehmen, hat zudem an immer mehr Stellen auch der Staat gesagt: Bevor Anlagen stattfinden, müssen sie ein Rating vorweisen.

Bild: dapd
Im Interview: HERRMANN-JOSEF TENHAGEN

49, ist Chef von Finanztest, die von der Stiftung Warentest herausgegeben wird. Er sitzt im Aufsichtsrat der taz.

Das hatte immer mehr zur Folge, dass diejenigen, die Geld haben wollten, die Ratings bezahlen. Das ist natürlich Mist. Denn damit bezahlt man sozusagen beim Lehrer für die eigene Schulnote. Wenn ich als Geldanleger möchte, dass eine andere Firma unabhängig von mir prüft, ob eine Geldanlage solide ist, dann sollte ich als Geldanleger diese Prüfung bezahlen.

Sollte der Einfluss der drei US-Ratingagenturen verringert werden?

Unbedingt. Aber dazu muss man auch sagen, dass die Staaten selbst dazu beigetragen haben. Sie waren es, die für alle möglichen Dinge die Urteile dieser Ratingagenturen verlangten. An ganz vielen Stellen könnte man auf diese Ratings aber verzichten.

Außenminister Westerwelle hat nun eine europäische Ratingagentur nach dem Modell der Stiftung Warentest vorgeschlagen. Was halten Sie davon?

Wir haben die Aufgabe, Bewertungen von Produkten herzustellen, damit die Verbraucher sich besser entscheiden können. Nun könnte man sagen: Wir brauchen eine Agentur, die für die Banken und für die Anleger Bewertungen mit ähnlichem Zweck bereit stell. Bei uns bezahlen unsere Leser über den Kauf unserer Hefte oder übers Internet für die Bewertung eines bestimmten Produktes. Das hieße: Auch Geldanleger müssten künftig dafür bezahlen, dass eine solche Bewertung vorgenommen wird. Wenn Herr Westerwelle das damit meint, ist das eine Idee, mit der man sich beschäftigen könnte.

Und? Stünden Sie für eine solche Aufgabe zur Verfügung?

Als Kopf einer solchen Rating-Agentur wäre man in allererster Linie unterwegs für Menschen mit sehr viel Geld, um denen zu sagen, wo sie ihr Geld noch profitabler hinpacken sollen. In einer solchen Aufgabe sehe ich nicht meine Zukunft. Ich arbeite lieber für die kleinen Leute.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

2 Kommentare

 / 
  • A
    anke

    Ich kann mich irren, aber war nicht gerade das der Witz am Ranking der Rater: Es macht das Leben um so teurer, je ärmer man ist? Genau wie überall zahlen die, die eigentlich gar nicht können, für die, die sich noch nicht reich genug fühlen. Das ist durchaus üblich, denke ich. Was ich nicht begreife ist: Wer leiht einem Schirm eigentlich Geld und wozu? Hatte Frau Merkel den Rettungsschirm nicht gerade erst für gerettet erklärt? Hatte sie Ihre Rechnung womöglich ohne den Wirt gemacht? Und wieso, zum Geier, hat sie das übliche Trinkgeld nicht in gewünschter Höhe einrechnen lassen?

  • K
    KFR

    Auch "Finanztest" und "Warentest" sind Rating-Agenturen !!!

    Lehrer werden selbstverständlich für "gute" Noten bezahlt, nur die "unabhängige " Kontrolle über ihre Leistungen und notwendige Konsequenzen fehlen !!