Finanzdisziplin der Länder: Feilschen um die Schuldenbremse
Wer zwingt die Länder zum Sparen? Eine hochrangig besetzte Kommission legt heute Eckpunkte dazu vor. Die Länder sollen sich die Lust am Schuldenmachen selbst austreiben.
BREMEN taz Für einen Moment fühlte sich die große Koalition stark genug. 2006 hatte es geklappt mit der ersten Stufe der Föderalismusreform: Durch die Verfassungsänderung sollten die Verantwortlichkeiten von Bund und Ländern entflochten werden. Nun sollte es endlich um die "Modernisierung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen" gehen, weshalb im März 2007 eine 32-köpfige Kommission unter dem Vorsitz von Baden-Württembergs Ministerpräsident Günther Oettinger und dem SPD-Chef im Bundestag, Peter Struck, die Arbeit aufnahm. Am Montag verkündet sie ihre Vorschläge.
Doch schon seit 2007 ist ziemlich klar, dass man keinen großen Wurf erwarten kann. Das System blockiert sich selbst: Es verlangt breitesten Konsens, aber bei so vielen Spielern am Tisch haben immer einige Angst, als Verlierer nach Hause zu gehen. Selbst der kleine Rest, um den seit Monaten verhandelt wird, muss kunstvoll um die bayerische Landtagswahl herum organisiert werden. Oettinger und Struck sollen auch nur Eckpunkte vorstellen. Nach der Bayernwahl müssen die Vorschläge in die parlamentarische Beratung gehen, wenn vor Beginn des Bundestagswahlkampfes ein Ergebnis erzielt werden soll.
Kernthema des zweiten Abschnitts der Föderalismusreform ist die "Schuldenbremse": 1,5 Billionen Euro Schulden haben Bund und Länder angehäuft, den größeren Teil davon der Bund. Nach deutschem Recht gibt es keine wirksame Schamgrenze für die Politik, sich positive Schlagzeilen auf Pump zu finanzieren. Während jede Kommune ihre Haushalte genehmigen lassen muss, sind die Länder frei im Schuldenmachen: Stellen sie eine "Haushaltsnotlage" fest, wie Saarland, Bremen, Berlin und jüngst Schleswig-Holstein, müssen die anderen helfen.
Erst die EU hat mit ihrem Stabilitätspakt Grenzen gezogen. Doch Bund und deutsche Länder streiten, welchen Anteil der nach EU-Stabilität möglichen Neuverschuldung sich der Bund leisten darf und welchen die Länder. An ein Schuldenverbot denkt niemand. Auch ein anderer Vorschlag von Wirtschaftsfachleuten hat keine Chance: Würde der Staat nicht mehr für Kredite haften und gäbe es damit eine Konkurs-Möglichkeit, nähmen die Banken bankübliche Zinssätze. Die Lust zum Schuldenmachen verginge den Ländern.
So weit wird es nicht kommen. Aber Oettinger und Struck wollen Bund und Länder immerhin verpflichten, einem Fahrplan zuzustimmen, der zu ausgeglichenen Haushalten führen könnte - wenn die Steuereinnahmen weiter so sprudeln wie voriges Jahr. Spannend ist die Frage, wie verbindlich der Fahrplan ist und wer die Länder zur Disziplin zwingen kann. Bremen etwa, das Saarland und Schleswig-Holstein haben erklärt, sie bräuchten aufgrund ihrer Altschulden "Entschuldungshilfe". Der Bund wird für solche Hilfen strenge Kontrollen verlangen, damit sie nicht verpuffen wie die Sanierungshilfen der 90er-Jahre.
Der Bund hätte gern seine Idee einer effektiven zentralen Steuerverwaltung ins Paket eingeschnürt - damit, zum Beispiel, eine indirekte regionale Wirtschaftsförderung durch bewusst lasche Betriebsprüfungen ausgeschlossen werden kann. Das scheitert am Nein der Landesfürsten.
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