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■ Filmstarts à la carteWie man ein Zebra am Schwanz packt

Heute, da junge und widerwärtig dynamische Moderatoren die Mattscheibe beherrschen, dürfte Bernhard Grzimek das Studio vermutlich nicht einmal mehr durch die Hintertür betreten. Langsam und betulich wirkte der ehemalige Direktor des Frankfurter Zoos, der die Fernsehnation dennoch über Jahrzehnte hinweg mit der Sendung „Ein Platz für Tiere“ erfreute. Spannung ergab sich dabei stets aus der Frage, ob er seine Anmoderation wohl jemals würde korrekt beenden können, ehe ihn die überall herumkrabbelnden Zootiere an den Haaren zogen oder ihn in die Nase bissen.

Vor nunmehr zehn Jahren verstarb Bernhard Grzimek; ein Anlaß für das Babylon-Kino, seinen gemeinsam mit dem Sohn Michael gedrehten Dokumentarfilm „Serengeti darf nicht sterben“ zu zeigen. Der Film, der 1960 mit einem Oscar ausgezeichnet wurde, ist die Dokumentation eines Forschungsauftrags im damaligen britischen Mandatsgebiet Tanganjika, dem heutigen Tansania: Die Grzimeks sollten die Wanderwege der großen Herdentiere erkunden, um Erkenntnisse für eine künftige Grenzziehung des Serengeti-Nationalparks zu gewinnen. Da die Zoologen mit ihren Forschungen Neuland betraten, zeigt der Film vor allem die vielen Probleme mit Dingen und Tätigkeiten, die heute ganz selbstverständlich erscheinen, wie etwa dem Einfangen der Tiere zwecks Kennzeichnung. Da weder die Jagd mit der Lassoschlinge noch der Schuß mit dem selbstkonstruierten Betäubungsgewehr (zu kurze Reichweite) die entsprechenden Erfolge zeitigten, verfielen die Forscher auf eine eher unkonventionelle Art, Zebras einzufangen: Mit dem Geländewagen über die Steppe rasend, erhaschten sie die Wildpferde schließlich aus voller Fahrt heraus am Schwanz. Wie der Kommentar zu berichten weiß, funktioniert das jedoch nur, wenn die Zebras „vorher nicht gemistet haben“, sonst nämlich wird es etwas glitschig.

Auch vor nahezu 40 Jahren schritt die rapide Zerstörung des Lebensraums der Steppentiere (vornehmlich durch die Bevölkerungsexplosion) in erschreckender Weise voran. Desgleichen schildert der Film die Dezimierung der Tierbestände durch einheimische Wilderer – bedingt durch das perverse Bedürfnis der Europäer nach absurden Souvenirs wie Papierkörben aus Elefantenfüßen und Fliegenwedeln aus Zebraschwänzen. Damals wie heute folgt daraus die bittere Erkenntnis, daß die Wildtiere nur dann auf Dauer zu erhalten sind, wenn die einheimische Bevölkerung von ihrem Schutz profitiert.

22./23.3. im Babylon-Mitte

Winston Churchill haßte den Film, und die britische Regierung bemühte sich 1943 erfolglos, die Fertigstellung und den Vertrieb zu verhindern: Zu sehr waren Michael Powell und Emeric Pressburger in „The Life and Death of Colonel Blimp“ von der damals akzeptierten Norm der Propagandafilme abgewichen. Mit der Hauptfigur des Major Clive Candy (Roger Livesey) karikierten sie liebevoll althergebrachte Traditionen: Britischer Sportsgeist und Fair play machten im Kampf mit den Nazis tatsächlich wenig Sinn – von offizieller Seite wurde diese Erkenntnis jedoch als Defätismus betrachtet. Mitten im Krieg stieß naturgemäß auch die Darstellung einer völkerverbindenden lebenslangen Freundschaft Major Candys mit dem deutschen Leutnant Theo Kretschmar-Schuldorff (Adolf Wohlbrück als „guter“ Deutscher) auf wenig Gegenliebe.

Immer wieder wurde der Film im Laufe der Zeit umgeschnitten und stark gekürzt; auch in der deutschen Fassung fehlen über 40 Minuten. Schon allein deshalb sollte man sich die Gelegenheit nicht entgehen lassen, jetzt die vor einigen Jahren vom National Film Archive und der BBC rekonstruierte Originalfassung des „Colonel Blimp“ im Zeughauskino anzusehen.Lars Penning

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