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■ Filmstarts à la carteDie Müllabfuhr hat viel zu tun

„Ich denke viel über seine Filme nach. Ich wünschte, ich würde nicht“, hat Martin Scorsese einmal in einem Text über den kanadischen Regisseur David Cronenberg geschrieben. Parasiten-Mörder und Rabid – Der brüllende Tod dokumentieren die Frühphase des Meisters – ein Doppelprogramm, mit dem man sich fraglos die Nerven ruinieren kann. Zwei Filme, ein Thema: Skrupellose Wissenschaftler experimentieren am lebenden Objekt und lösen Katastrophen in apokalyptischen Dimensionen aus.

In „Parasiten-Mörder“ ist es erst mal „nur“ ein Gebäudekomplex, der von jenen kleinen, schleimigen Würmern heimgesucht wird, die bei den Bewohnern eine unkontrollierbare sexuelle Raserei auslösen. Die Parasiten lauern überall: in der Badewanne, in der Waschmaschine oder auch in der Kehle der Freundin. Ein perfides Spiel mit menschlichen Urängsten, gekleidet in die schmuddelige Trash- Ästhetik einer Low-Low-Budget-Produktion. Man möchte aufheulen, so billig und schmierig sieht es aus und bleibt doch ewig unvergeßlich. Am Ende sind alle Bewohner infiziert und ziehen in die weite Welt hinaus, die in „Rabid“ durch Montreal repräsentiert wird (so weit reichte des Budget gerade noch). Das Übel bekommt jetzt ein menschliches Gesicht: Marilyn Chambers, die Porno-Queen der siebziger Jahre. Sie wächst einem richtiggehend ans Herz, wie sie sich, mit einem blutsaugenden Stachel unter der Achselhöhle versehen, an ihre Opfer heranmacht, verlegen und zögerlich zunächst, dann mit immer weniger Gewissensbissen. Ihre Opfer befällt eine tollwutartige Raserei: Da muß dann auch schon mal ein Weihnachtsmann im Einkaufszentrum erschossen werden, und auch sonst hat die Müllabfuhr mit den vielen Leichen eine Menge zu tun.

„Der Regisseur ist ein Mann, dem man unaufhörlich Fragen stellt. Manchmal kennt er die Antwort, aber nicht immer.“ Der Regisseur Ferrand weiß, wovon er spricht, wird er doch von François Truffaut gespielt, der sich in Die amerikanische Nacht den Text selbst in den Mund gelegt hat.

„Die amerikanische Nacht“ ist Truffauts Film über das Kino – und interessanterweise stehen nicht die künstlerischen Fragen, sondern technische Aspekte und die kommerziellen Zwänge im Vordergrund. Beinahe exemplarisch handelt Truffaut alle erdenklichen Probleme ab, die bei den Dreharbeiten eines Films auftauchen können. Dabei reichen die „Katastrophen“ vom Profanen bis zum wirklich Tragischen, von der Katze, die nicht vor der Kamera trinken will („Wir drehen die Szene erst, wenn ihr eine Katze gefunden habt, die spielen kann“), bis zum Unfalltod eines Hauptdarstellers.

Wie in einem Panoptikum führt uns Truffaut auch die verschiedensten Typen von Schauspielern vor: Da gibt es die alternde Diva, die ob ihrer Trinkgewohnheiten ständig den Text vergißt und wiederholt im Wandschrank landet, oder auch den weltgewandten Charmeur, der gern Anekdoten aus seiner Glanzzeit in Hollywood erzählt. Und es gibt Jean-Pierre Léaud, der die Frauen wieder einmal etwas zu heftig liebt, als daß das nicht zu Problemen führen würde. Der Film erzählt von unangenehmen Dingen in heiterem Ton – trotz aller Schwierigkeiten gehen die fiktiven Dreharbeiten scheinbar mühelos voran. Auf wunderbare Weise wirkt „Die amerikanische Nacht“ leicht und märchenhaft. Vielleicht hat sich Jean-Luc Godard auf jenen Aspekt bezogen, als er Truffaut vorwarf, dann doch zu vernebeln, was der Film eigentlich vorgibt zu entschleiern.

Lars Penning

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