■ Filmstarts à la carte: Ernst ist das Leben, heiter die Kunst
„Das Leben ist eine Enttäuschung“, lautet das betrübliche Fazit eines Auftragsmörders in „I Hired a Contract Killer“, ehe er anstelle seines Opfers lieber sich selbst erschießt. Der lakonische Witz seiner Filme hat den finnischen Regisseur Aki Kaurismäki bekannt gemacht, das Image des trinkfesten Exzentrikers jedoch seine Bedeutung als einer der wichtigsten europäischen Filmemacher der letzten Jahre stets ein wenig überlagert. Seit Bresson und Melville hat niemand Kinogeschichten so klar und präzise erzählt, von überflüssigen Erklärungen und unnötigem Dialog befreit. Stilisierung als Stilprinzip.
Um das Panorama eines trostlosen Lebens zu entwerfen, benötigt Kaurismäki in „I Hired a Contract Killer“ nur wenige Bilder: Ein paar Einstellungen vermitteln die kafkaeske Atmosphäre in der Registratur der „Wasserwerke Ihrer Majestät“; der Held der Geschichte, ein Franzose in England, sitzt in der Mittagspause allein an einem Tisch, derweil die Kollegen an einem anderen scherzen und lachen.
Zu Hause das gleiche Bild: Henri lebt allein in einem heruntergekommenen Loch, als Beschäftigung bleibt ihm die Pflege einiger Pflanzen. Einmal beschließt Henri zu telefonieren; man sieht sein Adreßbuch: leere Seiten. Henri, das ist Jean-Pierre Léaud, der Don Quichotte des Kinos; immer im (meist vergeblichen) Kampf mit den Unbilden des Lebens und der Liebe. Anstatt mit aufdringlicher Sozialkritik aufzuwarten, erzählen Kaurismäkis Filme mit bitterem Humor ganz beiläufig etwas über unsere Gegenwart: „Her Majesty's Waterworks“ werden von der konservativen Regierung privatisiert; da entläßt man die Ausländer „natürlich“ zuerst. Nach 15 Jahren Arbeit erhält Henri gerade einmal eine goldene Uhr – und die ist auch noch kauptt.
Trotzdem, so düster wie der von ihm erfundene Killer sieht Kaurismäki das Dasein nicht. Deshalb mag er hier das letzte Wort haben: „Das Leben ist hart, aber heiter.“
Im Gegensatz zu den wortkargen Kaurismäki-Figuren reden die Protagonisten der Filme Eric Rohmers viel und gern. Probleme aller Art werden von allen Seiten beleuchtet und gewendet, bis man sich schließlich im Kreis dreht. Dann sagen Rohmers Helden Sätze wie: „Es gibt Liebe und Liebe“ oder „Ich habe mich entschieden, um mich zu entscheiden“. Woraufhin sie ihre Entscheidung prompt zurücknehmen. „Wintermärchen“ (1991) ist das Gegenstück zum „Sommer“- Film des letzten Jahres: In beiden Werken geht es um die Jagd nach der idealen Liebe, dem idealen Partner. Wobei sich die Hauptfiguren immer nach dem sehnen, der gerade nicht da ist. Doch während der junge Mann am Ende des „Sommers“ mit leeren Händen dasteht, endet das „Wintermärchen“ für seine Protagonisten, wie es der Titel verspricht.
1979 löste Michael Ciminos „Die durch die Hölle gehen“ bei der Berlinale einen Eklat aus, weil die Länder des damaligen Ostblocks in dem Film, der die Auswirkungen des Vietnamkrieges auf das Leben dreier Stahlarbeiter aus Pennsylvania zeigt, Antikommunismus übelster Sorte witterten.
Interessanter als die politische Komponente erscheint heute die ästhetische Qualität des Films, der detailversessene Realismus, mit dem Cimino beispielsweise eine Hochzeit in epischer Breite schildert. Eine Sequenz, die ihre Entsprechung allenfalls in dem berühmten Ball in Viscontis „Der Leopard“ findet.
Lars Penning
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