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Filmstarts à la carteKein Geld bei der „Last National Bank“

Als Buster Keaton 1923 seinen ersten langen Spielfilm „The Three Ages“ drehte, ging er zunächst einmal auf Nummer Sicher. Indem er und sein Co-Regisseur Eddie Cline die Geschichte eines Jünglings, der allen Widerständen zum Trotz die Liebe seiner Angebeteten erringt, in drei Episoden variierten, die in der Steinzeit, im antiken Rom und in der Gegenwart spielen, schlugen sie zwei Fliegen mit einer Filmklappe: Einerseits parodierten sie das prätentiöse, ähnlich strukturierte D.W.-Griffith- Werk „Intolerance“, andererseits konnten sie auf diese Weise noch einmal die Dramaturgie der ihnen vertrauten Kurzfilme beibehalten. Letztmalig opferte man eine durchgehende Story zugunsten einer irrsinnigen Anhäufung von Gags und Stunts.

Die Komik speist sich in „The Three Ages“ vornehmlich aus zwei Quellen: den amüsanten Gegenwartsbezügen in den historischen Episoden und der vermeintlichen Unterlegenheit Busters gegenüber seinem Rivalen. Fährt der Opponent mit einem flotten Automobil vor, zerbricht Busters Gefährt bereits an der ersten Bodenwelle in alle Einzelteile. Weist der Nebenbuhler dem skeptischen Brautvater in spe ein prall gefülltes Bankkonto bei der „First National Bank“ vor, so kann Buster allenfalls ein leergeräumtes Sparbuch der „Last National Bank“ zücken. In der Steinzeit-Episode gelingt Keaton allerdings der spektakuläre k.o. eines Kontrahenten: Ein erstklassiger Baseballschlag mit seiner Keule befördert einen auf ihn geworfenen Felsbrocken auf direktem Weg zurück an die Stirn des Gegners.

Es ist jedoch eine andere Sequenz, die in besonderem Maße Keatons Gespür für Fluß und Rhythmus einer Szene verdeutlicht und auf seine großen Filme der kommenden Jahren vorausweist: Buster versucht von einem Wolkenkratzer zum anderen zu springen, verfehlt das Dach, wird in seinem Fall durch mehrere aufgespannte Markisen gebremst, rutscht in halsbrecherischer Manier in das Gebäude hinein und landet völlig unversehrt – und ungerührt – auf einem Feuerwehrauto, das sich in diesem Moment in Bewegung setzt und die Garage verläßt.

Ruhig schwenkt die Kamera über sanft geschwungene Hügel einer südjapanischen Landschaft. Mit der pastoralen Stimmung ist es allerdings bald vorbei, denn im örtlichen Bergwerk wurde zu tief gebohrt. Und so bekommt man es zunächst mit riesigen prähistorischen Insekten zu tun und dann – in subtiler Steigerung des Grauens – mit gewaltigen Flugsauriern. Die Erklärung dieses Phänomens durch einen bebrillten Biologen fällt in etwa so lustig aus wie die Geschichte von Urmel aus dem Eis. Großaufnahmen lassen die Gummitierchen allerdings nicht unbedingt im vorteilhaftesten Licht erscheinen, und auch das zur Bekämpfung aufgefahrene Waffenarsenal scheint größtenteils einem Spielzeuggeschäft zu entstammen. Trotzdem verblüfft die Sorgfalt, mit der Inoshiro Honda „Rodan“ inszeniert hat: So verdeutlicht die Eliminierung aller Farben außer Weiß und Graublau in den Krankenhausszenen die mittlerweile vorherrschende Tristesse und Hoffnungslosigkeit. Und die Aufnahmen von den durch die Flugechsen angerichteten Verwüstungen – einstürzende Brücken, abgedeckte Dächer, durch die Luft wirbelnde Autos – können sich jederzeit mit den Special Effects amerikanischer Filme messen.

Lars Penning

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