Filmen zu Testzwecken: Dubiose Aufnahmen
Autos mit 360-Grad-Kameras filmen in Hamburgs Straßen zu Testzwecken im Auftrag der Stadt. Auch Microsoft filmt die Straßen. Datenschützer glauben dabei an den guten Zweck.
HAMBURG taz | Öffentliche Straßen und Plätze in Hamburg werden zurzeit heimlich gefilmt. PKWs mit 360-Grad-Panoramakameras sind im Auftrag des Landesbetriebs für Geoinformation und Vermessung und des Computerunternehmens Microsoft unterwegs.
Das hat der SPD-Senat jetzt auf Anfrage des FDP-Bürgerschaftsabgeordneten Finn-Ole Ritter eingeräumt. Für eine Absprache mit dem Hamburgischen Datenschutzbeauftragen sieht der Senat keinen Grund: „Eine Anzeige- oder Meldepflicht gibt es für den vorliegenden Fall nicht.“
„Das ist fahrlässig“, findet Ritter. Aus seiner Sicht müssten die Behörden vorher „bei diesem sensiblen Thema mit dem Datenschutzbeauftragten Rücksprache halten“, auch wenn es sich nur um ein Pilotprojekt handele, wie vom Senat behauptet.
Nach dessen Auskunft ist ein filmendes Fahrzeug am 7. März „auf einer 25 Kilometer langen Strecke in Hamburg (Innenstadt, Hafencity, Reeperbahn, Altona) eingesetzt“ worden. Es handele sich um Aufnahmen für eine „dreidimensionale Geodateninfrastruktur“ zur Erstellung eines „digitalen 3-D-Stadtmodells“. Die Aufnahmen seien nicht zur Veröffentlichung vorgesehen, versichert der Senat.
Nach Auffassung von Moritz Karg, Referent des Hamburgischen Datenschutzbeauftragten, könnte die Befahrung weniger kritisch sein als vergleichbare Vorhaben von Unternehmen, die kommerzielle Interessen verfolgen: „Denn staatliche Stellen handeln in der Regel auf der Grundlage eines gesetzlichen Auftrages.“
Zudem habe es sich nach der Antwort des Senates um einen zeitlich und räumlich begrenzten Test gehandelt. „Sollte das ausgeweitet werden, gehe ich davon aus, dass das zuvor mit unserer Dienststelle abgestimmt wird“, so Karg. Diese Informierung der Datenschützer habe der Senat in seiner Antwort ja bereits in Aussicht gestellt.
Die aktuellen Aktivitäten von Microsoft dienten laut Senat der Erstellung des „Panoramadienstes Streetside“, Einzelheiten seien jedoch nicht bekannt. Ritter findet das dubios. Er weist darauf hin, dass der Internetkonzern Google gerade in den USA wegen unerlaubter Aufnahmen für seinen digitalen Kartendienst Street View eine Strafe von sieben Millionen Dollar zahlen musste. In Hamburg aber interessiere sich offenbar niemand für das Thema, bedauert Ritter.
Dabei hatte Hamburgs schwarz-grüne Koalition 2010 mit einer Bundesratsinitiative dem Filmen im öffentlichen Raum enge Grenzen setzen wollen. Der entsprechende Beschluss der Länderkammer vom 9. Juli 2010 liegt seit fast drei Jahren dem Bundestag vor – völlig unbeachtet.
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