Film über NS-Minister Albert Speer: Schönfärben einer Nazikarriere
In ihrem Film „Speer Goes to Hollywood“ erzählt Vanessa Lapa, wie der ehemalige NS-Rüstungsminister sich in der Nachkriegszeit reinwaschen wollte.
Die Publikation von Albert Speers sogenannten Erinnerungen brachten Hitlers ehemaligem Rüstungsminister Ende der 1960er Jahre nicht nur einen Batzen Geld, sondern auch einen Batzen Leserbriefe ein. Verfasst hatte Speer das Buch, während er eine 20-jährige Haftstrafe absaß, zu der er im Nürnberger Prozess gegen die Hauptkriegsverbrecher des Nationalsozialismus verurteilt wurde. In Filmaufnahmen kann man ihm zusehen, wie er Briefumschläge öffnet und einem Interviewer auf Französisch erklärt, dass er all die Briefe beantworte. Er hoffe aber, dass das mit den Briefen auch mal wieder aufhöre. „Man möchte ja auch ein Privatleben haben.“
Speers Selbststilisierung, die Lügen und Beschönigungen, oberflächliche Reue und vermeintlich aufrichtige Zeitzeugenschaft verwebt, stieß weltweit auf offene Ohren. Zu Beginn ihres Dokumentarfilms „Speer Goes to Hollywood“ zeigt Vanessa Lapa Speer auf dem Höhepunkt seines Erfolgs in der Nachkriegszeit. Die andauernde Faszination für den Nationalsozialismus und die Logik des Kalten Kriegs, in der ein Nazi, dem man nichts nachweisen kann, ein Verbündeter im Kampf gegen den Kommunismus ist, haben Speer eine zweite Karriere ermöglicht.
Für eine Weile scheint Speer omnipräsent, alle Welt will ein Interview mit ihm. Ein Jahr, nachdem sein Buch auf Englisch erscheint, erwirbt der New Yorker Anwalt Stanley Cohen die Filmrechte, wenig später zeigt sich Paramount Pictures an einer Verfilmung interessiert.
Das Studio engagiert den Mittzwanziger Andrew Birkin, der in den Jahren zuvor unter den Fittichen von Stanley Kubrick seine Karriere mit wechselnden Jobs in der Filmbranche begonnen hatte. Über Monate gehen Speer und Birkin die Rohfassung des Drehbuchs Szene für Szene durch.
Der Film, der nie realisiert wurde
Der Film wird nie realisiert. Die Tonbandaufzeichnungen der Gespräche zwischen den beiden sind die zentrale Quelle für Lapas Film. Die Stimmen in Lapas Film sind jedoch die von Schauspielern.
„Speer Goes to Hollywood“. Regie: Vanessa Lapa. Israel 2021, 97 Min.
„Das Ziel ist, dass das Publikum sich in den ersten fünf Minuten mit Ihnen identifiziert“, erklärte Birkin in einem der frühen Gespräche seinen Ansatz beim Drehbuch. Eine Intention, die Speer erkennbar recht ist. Die Gespräche nehmen ihren Lauf: Speer schildert, wie es gewesen sei, Birkin nimmt das zur Kenntnis. Nur das Zögern in den zustimmenden Kommentaren variiert.
Speer erzählt, wie er die Inszenierung Hitlers bei den Parteitagen erfunden habe, rümpft die Nase über die Besucher auf Hitlers Berghof. In der Partei habe es wenige Intellektuelle (gemeint ist: wie ihn selbst) gegeben. Kurz darauf versucht der britische Regisseur Carol Reed Birkin ein erstes Mal vorsichtig beizubringen, dass Speer ihn einwickelt mit seinen harmlosen Erzählungen.
In Momenten wie diesem zeigt sich die Klugheit von Lapas Film. „Speer Goes to Hollywood“ rekonstruiert Speers Versuch, sich auf der großen Bühne eines Hollywood-Biopics reinzuwaschen. Als die Sprache auf die Zwangsarbeiter_innen kommt, die Speer für die deutschen Rüstungsbetriebe versklavte, ist diesem vor allem eines wichtig: zu betonen, wie viele Menschen seinem Kommando unterstanden. Er rattert die Zahlen der Zwangsarbeiter_innen aus dem Gedächtnis herunter.
Quellenmaterial Nürnberger Kriegsverbrecherprozessen
Ob er in einem Konzentrationslager gewesen sei, daran kann sich Speer angeblich nicht erinnern. Wieder und wieder konfrontiert Lapa Speers verharmlosende Darstellungen mit Szenen aus dem Nürnberger Kriegsverbrecherprozess, in dem er als einer der Angeklagten als Hauptkriegsverbrecher verurteilt wurde. Dass das ohne externen Kommentar gelingt, ist in erster Linie dem beeindruckenden Quellenmaterial zu verdanken, allen voran den Tonbandaufnahmen.
Beim Umgang mit den Bildern muss man etwas schlucken. Diese werden, wie durch Fernsehgepflogenheiten eingerissen ist, ins Format aktueller Abspielgeräte geschnitten und nachträglich mit einer extrem generisch-naturalistischen Tonspur unterlegt. Überdies: Auch Lapas Film verzichtet nicht darauf, Material aus dem geschichtsrevisionistischen Sammelsurium von Karl Höffke zu verwenden, der mindestens in der Vergangenheit offene Kontakte zur deutschen Rechten hatte.
Neben der Auseinandersetzung mit Speers Selbstdarstellung hat Lapa ein zweites Anliegen: zu zeigen, dass Paramount und Drehbuchautor Birkin allen Warnungen von außen zum Trotz weit auf dem Weg fortgeschritten waren, Speers eigene Darstellung seines Aufstiegs in den inneren Führungszirkel des Nationalsozialismus in eine beschönigende Filmbiografie zu übersetzen.
Das aber bestreitet Andrew Birkin in einem Brief, mit dem er auf eine Rezension der World Socialist Web Site reagiert. Birkin schreibt: „Es war nie unsere Intention, zu trivialisieren oder Speers Verbrechen gar zu beschönigen. Vielmehr enthielt mein Drehbuch mehrere verurteilende Szenen.“ Am Rande klingt das sogar in Lapas Film an, wirkt dort aber eher wie ein Feigenblatt.
Birkins Replik, die ob ihrer vielen Details sehr lesenswert ist, endet damit, dass das Projekt letztlich an den Verlegern von Speers Büchern gescheitert sei – an seinem deutschen Verleger Wolf Siedler und Gerald Gross vom New Yorker Verlag Macmillan. Von außen ist nicht zu entscheiden, was der Wahrheit näherkam. Aber selbst wenn nur die Nahaufnahme von Speers biografischen Lügen übrig bliebe, wäre Lapas Film noch ein Verdienst.
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