Film über Fernsehkoch Wilmenrod: Der Bundesfeinschmecker
"Toast Hawaii"-Erfinder Wilmenrod war Deutschlands erster Fernsehkoch. Das Biopic "Es liegt mir auf der Zunge" (Mittwoch, ARD, 20.15 Uhr) scheitert an der Tragikomik seines Lebens.
![](https://taz.de/picture/329949/14/wilmenrod_f.jpg)
Nein, Alfred Biolek war keineswegs der erste kochlöffelschwingende Amateur im deutschen Fernsehen. Der hieß - genauer: nannte sich - Clemens Wilmenrod und ging schon am 20. Februar 1953 erstmals auf Sendung.
Keine schlechte Idee eigentlich in diesen Zeiten des boomenden Telekochens, jenen Wilmenrod für ein Biopic auszugraben. Aber die Idee stammt ja auch aus der Küche der lange Jahre für gute Ideen geschätzten, dann aber unehrenhaft entlassenen Ex-NDR-Fernsehspielchefin Doris J. Heinze. Heinzes Geschäftsmodell, eigene Ideen als fremde an ihren eigenen Sender zu verkaufen, steht zu Wilmenrods Küchenpraxis in einem quasi diametralen Verhältnis: Dem warfen seine Zeitgenossen später vor, fremde Rezepte als eigene ausgegeben zu haben. Allerdings gibt es gerade an der Urheberschaft der Kreation, die im Zentrum des kulinarischen Schaffens Wilmenrods steht, nicht den geringsten Zweifel - die Rede ist vom "Toast Hawaii".
Allein dafür hat er sich die filmische Hommage von Kaspar Heidelbach (Regie) und Lothar Kurzawa (Buch) verdient. Die Besetzung ist erlesen, in den Hauptrollen: das Schauspielerehepaar Jan Josef Liefers und Anna Loos - als Wilmenrod und seine Gattin! Solange es um den Aufstieg des erfolglosen Provinzschauspielers mit putzigem Menjoubärtchen zum Bundesfeinschmecker mit putzigem Menjoubärtchen geht, ist Liefers die Idealbesetzung. Er kennt keine Hemmungen und bringt es fertig, auf die prätentiöse Gespreiztheit des originalen Wilmenrod noch eins draufzusetzen: "Wenn die Kirsche oder die Pflaume einen Stein besitzen, den wir entfernen müssen - warum soll nicht einmal die Erdbeere einen Kern von uns erhalten?" Fertig ist die mit einer Mandel "gefüllte Erdbeere". Da erscheinen uns Nachgeborenen die Fünfziger bald wie ein anarchisches Idyll, in dem die Verwendung von Dosenmischgemüse noch nicht tabuisiert war.
Die Spiegel-Titelgeschichte der Ausgabe 26/1959 - die sich wie das Exposé zum Film liest - analysiert den Erfolg des flotten Hobbykochs so: "Die wenigen tausend Fernsehabonnenten hatten damals noch keine Meinung. Sie bestaunten den modernen Zauberspiegel, ließen sich beflimmern und von Wilmenrod als ,liebe, goldige Menschen' umschmeicheln."
Der Film will auch das zeigen, will mehr sein als eine bloße Nostalgieklamotte. Das ist sein Problem. Wohl weil Clemens Wilmenrod keine rein fiktive Filmfigur ist, sondern als Carl Clemens Hahn tatsächlich gelebt hat, meinten die Macher des Films, ihm "gerecht werden" zu müssen. Und weil die fröhliche Sause irgendwann vorbei war, weil seine Frau ihren promiskuitiven Gatten irgendwann nicht länger ertragen konnte, weil er irgendwann nicht mehr als liebenswerter Filou, sondern als schamloser Pionier auch in Sachen Schleichwerbung begriffen wurde, weil sein Leben in den letzten Jahren tragisch verlief und tragisch endete - deswegen muss wohl auch der Fernsehfilm von der beschwingten Komödie in die bittere Tragikomödie umschlagen. Das aber will nicht recht gelingen. Das fulminant sinnfreie Pointenfeuerwerk der ersten Hälfte ist einfach zu komisch, macht es unmöglich, den Film danach auch nur für eine Minute halbwegs ernst zu nehmen.
Der Balanceakt zwischen Tragik und Komik funktioniert genau einmal, wenn Wilmenrods Schwester dem im Krankenhaus Siechenden Mut machen will: "Du darfst die Flinte nicht ins Korn werfen!" Darauf er: "Warum soll ich die Flinte ins Korn werfen? Eher benutze ich sie." Danach erschießt er sich.
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