Film „Tagebuch einer Pariser Affäre“: Verwickelte Liebeskonstellationen
Der französische Regisseur Emmanuel Mouret ist ein Meister komplizierter Gefühle. Sein Film „Tagebuch einer Pariser Affäre“ bestätigt das.
Ganz schnell geht das: Charlotte und Simon hatten sich kennengelernt, Nummern ausgetauscht, treffen sich wieder, trinken was in einer Bar, sie sagt ganz direkt, sie will jetzt mit ihm schlafen. Ab in ihre Wohnung, dort haben sie Sex, voilà. Beide sind sie nicht mehr ganz jung, sie über fünfzig, er über vierzig, er hat Frau und Kinder, ist der eher schüchterne, sanfte, nachdenkliche, ganz und gar nicht draufgängerische Typ, wie ihn Vincent Macaigne, der, bevor er zum Film kam, als Schauspieler und Regisseur schon ein Theaterstar war, nicht zum ersten Mal spielt.
Bei ihr gibt es keinen Mann, aber Kinder sehr wohl, sie will keine übertriebene Leidenschaft, einfach eine unkomplizierte Affäre. Dass sie die Geliebte ist und Simon anderweitig gebunden, ist für sie, sagt sie, kein Problem. Sandrine Kiberlain ist diese Charlotte als freundlich treibende Kraft, als eine Person, die weiß, was sie will, und die das, was an dem, das sie bekommt, vielleicht Kompromiss ist, schon einkalkuliert hat.
Keine der anderen, die Frau nicht und auch nicht die Kinder, kommt in diesem Film jemals ins Bild, nicht einmal ein Foto von Simons Frau will Charlotte sehen.
Ein Rendezvous folgt auf das andere, im Museum, eine gemeinsame Reise aufs Land, die beiden verstehen sich bestens, im Bett, aber auch sonst, Daten werden eingeblendet, mal liegt eine Woche zwischen den Begegnungen, dann weniger, klassische Musik sprudelt dazu, leichtfüßig ist der Schnitt, da haben sich zwei gefunden, es ist alles wirklich aufs Schönste harmonisch, einen Misston gibt es nur, als Charlotte Simon an seinem Arbeitsplatz aufsucht. (Er unterrichtet Achtsamkeitsübungen für Paare, bei denen die Frau schwanger ist.)
„Tagebuch einer Pariser Affäre“ (F 2022, Regie: Emmanuel Mouret). Die DVD ist ab rund 13 Euro im Handel erhältlich.
Emmanuel Mouret, ein zunächst nicht sehr beachteter Schauspieler-Regisseur, hat schon immer Filme gemacht, bei denen einem zuerst das Klischee „typisch französisch“ einfällt. „L’art d’aimer“, die Kunst, zu lieben, heißt einer von ihnen, aber alle könnten sie so heißen, selbst dann, wenn Mouret eine Episode aus Denis Diderots Roman „Jacques le Fataliste“ verfilmt (brillant, unter dem Titel: „Mademoiselle de Joncquières“), es geht um Liebe, Affären, Beziehungen, Gefühle, die durcheinandergeraten.
Das Milieu, so auch hier, meist bürgerlich, oft in Paris, es geht also um Personen mit Spielräumen nicht zuletzt finanzieller Art, Menschen, die nicht nur, wenn es glückt, einander genießen, sondern auch das Reden darüber, also über nicht nur, aber durchaus auch die Liebe.
Jauchzen und Betrübnis ergreifen einen
In der Kunst, von der Liebe zu erzählen, ist Mouret, der auch die Drehbücher (mit)schreibt, inzwischen ein (nun auch regelmäßig nach Cannes eingeladener) großer Meister, dem es gelingt, die schiere Lust an sich auch moralisch zusehends verwickelnden Konstellationen der Liebe mit Diskursen auf der Höhe der nicht gerade knappen Theorie- und Romanliteratur zu verbinden.
Aber die Theorie und die Praxis der Liebe so zu verbinden, dass die Figuren kein bisschen ausgedacht wirken, dass ihr Jauchzen und ihre Betrübnis einen ergreifen, dass das Komische und auch das womöglich ein bisschen Tragische nie plump wird.
Jede Einstellung ist in dem, was sie zeigt, und in dem, was sie verbirgt, nuanciert, so wie es auch die Darsteller*innen sind, die Menschen spielen, die sich im fortgeschrittenen Alter zu sich selbst zu befreien versuchen. Zu Kiberlain und Macaigne tritt eine formidabel zögernde Dritte, Georgia Scalliet als Louise. Damit kommt es zur Verkomplizierung der ganzen Affäre, die Affäre bekommt und das Tagebuch macht einen Sprung. Vorbereitung für ein Nachspiel und ein Ende, das wenn nicht happy, dann jedenfalls hinreißend ist.
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