Film „Love, Spells and All That“ auf DVD: Gelöstes kann sich neu verbinden

Der Spielfilm „Love, Spells and All That“ von Ümit Ünal erzählt vom schwierigen Wiedersehen zweier Frauen. Seine Hauptdarstellerinnen sind großartig.

Eren (Ece Dizdar) steht unsicher blickend neben einem Baum.

Verzaubert: Eren (Ece Dizdar) in „Love, Spells and All That“ Foto: Alive

Erst ist da nur eine Frau, die einer anderen folgt, beide sind so Ende dreißig. Die eine ist gerade angekommen, auf einer kleinen türkischen Insel, das Meer im Hintergrund, viele Bäume, steile Hänge, nicht viel los auf den Straßen. Die Verfolgte wehrt, angesprochen, die andere ab. Es ist nicht so, dass sie sie nicht erkennt. Sie will sie nicht kennen.

Die Vorgeschichte, die die beiden verbindet, liegt lange zurück. Von dieser Vorgeschichte erzählt der Film „Love, Spells and All That“ in der Auseinandersetzung, die sich zwischen den beiden entspinnt. Er erzählt von einer zunächst fast gewaltsamen Wiederannäherung, davon, wie Vergangenes nicht vergangen sein soll, wie zwei darum ringen, ein begrabenes Glück neu zu gewinnen.

Die Frau, die der anderen folgte, heißt Eren (Ece Dizdar), trägt ärmelloses Top und Kurzhaarfrisur. Sie hat in Paris studiert, über Lacan promoviert, ist auf dieser Insel aufgewachsen, war zwanzig Jahre lang nicht mehr hier. Die verfolgte Frau heißt Reyhan (Selen Uçer), trägt wenig modische Kleidung und Verbitterung im Gesicht.

Die gemeinsame Vergangenheit der beiden, stellt sich in den Dialogen zwischen ihnen heraus, liegt zwanzig Jahre zurück. Sie hatten als Teenager eine Affäre, die große Liebe, dachten sie beide, dann hat sie Reyhans Mutter im Bett erwischt, statt großer Liebe großer Skandal, sie wurden getrennt und sahen sich nie wieder.

„Love, Spells and All That“ (Türkei 2019, Regie: Ümit Ünal). Die DVD ist ab rund 15 Euro im Handel.

Zauberbann für ewige Liebe

Bis jetzt. Das Leben ging jeweils sehr anders weiter. Wobei sie auch damals schon aus sehr verschiedenen Verhältnissen stammten. Erens Vater ein wichtiger Mann, Minister mit Geld, Reyhans Vater war nur der Gärtner im schönen Haus auf der Insel. Und so war Erens Unglück privilegiert bis nach Paris.

Reyhan dagegen wurde von der Insel vertrieben, kehrt erst zurück, als sich keiner mehr an sie erinnert. Sie führt eine freudlose Existenz, knappes Auskommen, die Bücher verkauft, die Neugier vergessen, lebt zusammen mit einem Mann, den sie nicht liebt. Und doch fühlt sie sich von Eren, die aus heiterem Himmel hier auftaucht, zunächst eher gestalkt als erlöst.

In ihrer Verzweiflung hat sie einst einen Zauberbann über Eren aussprechen lassen: Sie möge sie immerdar lieben. Den will sie nun zurücknehmen lassen. Eren kann gar nicht glauben, dass Reyhan an solche Praktiken glaubt. Reyhan hält ihr die komplette Ahnungslosigkeit der Privilegierten vor, der die Spur ins Leben der Reichen und Intellektuellen trotz allem gebahnt blieb.

Bewegung der Körper und der Wörter

Die Klassendifferenz, der Skandal, den eine lesbische Beziehung in der traditionellen Gesellschaft ausgelöst hat, die fast gewaltsame Wiederannäherung als Verschränkung von Gestern und Heute – das klingt zwar nach einer etwas schematischen Konstruktion.

Das Großartige am Film des Regisseurs und Drehbuchautors Ümit Ünal ist aber: Die beiden Hauptdarstellerinnen verleihen der Konstruktion blühendes Leben. Es ist eine Freude, ihrem Sprechen, Zögern, Drängen zu folgen, Reyhans Kampf nicht nur mit Eren, sondern auch mit sich selbst, Erens Verzweiflung angesichts des Widerstands der Freundin, bis hin zum Zweifel, ob sie das Richtige tut. Sie sind, wie der Dialog, fast ständig in Bewegung, Hügel hinauf, Straßen hinab, zur Magierin, die den Bann sprach (nur deren Sohn lebt noch da), zum Haus, in dem Eren einst lebte.

Erst in dieser doppelten Bewegung, der der Körper und der der Wörter, beginnen sich Dinge, Erinnerungen, Verhärtungen und Widerstände zu lösen. Und was sich gelöst hat, kann sich neu und wieder und anders verbinden. Der Film lebt auch von der Spannung, ob das Unmögliche möglich sein, ob alles zwanzig Jahre zu spät doch noch gut ausgehen kann. In Wahrheit ist aber der Weg schon das Ziel, die beglückende Zeit, die man mit Eren und Reyhan verbringt.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.