Film „Alle reden übers Wetter“: Ein böser Mensch
In ihrem Spielfilmdebüt vermisst Annika Pinske die innerdeutsche Grenze am Beispiel der Hochschule. Der Film läuft im Panorama der Berlinale.
Clara macht Eindruck. Die Philosophiedoktorandin in Berlin tritt selbstbewusst, manchmal forsch auf, scheint genau zu wissen, wo sie steht, wo sie hinwill. Ihre Professorin unterstützt sie, alles sieht nach idealen Bedingungen für die Nachwuchswissenschaftlerin aus. Gemeinsam macht man sich über die beflissene „ewige Assistentin“ am Lehrstuhl lustig.
Bei einer Feier unter Professorenkollegen reagiert Clara auf die Frage nach ihrer ostdeutschen Herkunft und ihrem Vater etwas einsilbig, sagt etwas von „Diplomat“. Zu den bildungsbürgerlichen Westbiografien um sie herum scheint die ehemalige DDR nicht recht zu passen. Dass ihre Biografie noch weniger betriebsüblich ist, erfährt das Publikum von Annika Pinskes Spielfilmdebüt „Alle reden übers Wetter“ wenig später, als Clara zum Geburtstag ihrer Mutter ins ländliche Mecklenburg-Vorpommern fährt.
15. 2., 19 Uhr, Zoo Palast 1
15. 2., 21 Uhr, Kino Union
17. 2., 12 Uhr, Zoo Palast 2
19. 2., 20 Uhr, Cubix 9
Clara promoviert über Intersubjektivität und Familie bei Hegel. Worin eine doppelte Ironie besteht. Ihre eigene Subjektivität muss sie an der Universität weitgehend ausstreichen, um nicht unangenehm aufzufallen. Was sie dabei an „symbolischer“ Subjektivität als Forscherin hinzugewinnt, geht so auf Kosten ihrer übrigen Subjektivität im Sinn von Herkunft und Umfeld.
Und zu Hause bei Claras Mutter zeigt sich, dass es dort mit der Intersubjektivität auch nicht weit her ist. Auf persönliche Fragen reagiert die Mutter mit Allgemeinplätzen, an Claras Innenleben zeigt sie kaum Interesse. Anne Schäfer spielt Clara wunderbar beweglich zwischen abgebrüht und fassungslos.
Gastauftritt von Sandra Hüller
Mit ihrer in klar gerahmten, ruhigen Einstellungen gefilmten Abschlussarbeit an der Deutschen Film- und Fernsehakademie Berlin (DFFB) vermisst Annika Pinske am Beispiel der Universität einerseits die Reste der innerdeutschen Grenze. Andererseits seziert sie fast lustvoll die feudalen Strukturen des Hochschulbetriebs, in dem die Dinge oft auf eisige Weise unausgesprochen bleiben.
Hier ist es Sandra Hüller in einem kurzen Auftritt als Gastdozentin, die gegenüber Claras Professorin all die Dinge formulieren darf, die karrierewillige Mitarbeiter des Mittelbaus mit großer Wahrscheinlichkeit eher stumm in sich hineinfressen. Welcher Professor kriegt schon jeden Tag die Worte „Sie sind ein böser Mensch“ zu hören?
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