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Feuerzeugflug in der BundesligaAllerlei Gebrauchtes

Mainz schlägt die Bayern mit Toren. Ein Fan Union Berlin trifft den Bochumer Torwart am Kopf. Ein gebrauchter Spieltag in der Fußball-Bundesliga.

Der vom Feuerzeug Getroffene: Bochums Torwart Patrick Drewes Foto: dpa

I n einer gerechten Fußballwelt wäre Jae-sung Lee der Star des Spieltags, der offensive Mainzer Mittelfeldspieler also, der mit seinen beiden Toren den Bayern das bescherte, was Kommentatoren gern als „gebrauchten Nachmittag“ bezeichnen.

Ist sie aber nicht, die Fußballwelt, also gerecht, und deswegen gehörten die Schlagzeilen einem nicht sehr ansehnlichen weißen Feuerzeug mit leidlich farbenfrohem Aufdruck. Das, am Samstagnachmittag geworfen von einem offenkundigen Trottel mit bedauerlich gutem Zielvermögen, den Bochumer Torwart Patrick Drewes während der Nachspielzeit des Spiels bei Union Berlin am Kopf traf.

Nach vielen Minuten voller Regeldiskussionen – der VfL konnte nicht mehr auswechseln – wurde schließlich wieder angepfiffen, aber nicht mehr gespielt. Die beiden Vereine Union Berlin und VfL Bochum hatten sich zuvor darauf geeinigt, keine ernsthaften Versuche zu unternehmen, doch noch zu gewinnen, was allen Ernstes als Bundesligapremiere gefeiert wurde.

Unangenehm, deprimierend, unschön

Womit wir zu den gebrauchten Nachmittagen kommen, die immer dann beklagt werden, wenn ein Verein nicht das tut, was von ihm erwartet wird, nämlich gewinnen. Das wirft gleich mehrere Fragen auf. Warum das Wort „gebraucht“ in Fußballkreisen ohne Weiteres als Synonym für unangenehm, deprimierend, unschön akzeptiert wird, zum Beispiel.

Gut, kann natürlich sein, dass man in diesen Kreisen niemals freiwillig einen Second-Hand-Laden betreten würde, aber, aaaber: Warum gibt es dann keine gebrauchten Abende? Vereine verlieren streng genommen nämlich nicht nur nachmittags überraschend, sondern schaffen das erfahrungsgemäß rund um die Uhr mit Leichtigkeit. Und außerdem werden weder Nachmittage noch Abende recycelt, sondern immer wieder neu ausgeliefert. Nur nicht in der Welt des Fußballs, wo sowohl bei Bayern als auch bei Union unerschütterlich gebrauchte Nachmittage diagnostiziert wurden.

Für die Berliner könnte das noch nicht alles gewesen sein, denn Bochum erklärte bereits, Einspruch einlegen zu wollen. Ob dem VfL am Ende die Punkte zugesprochen werden, ist allerdings unklar. Vielleicht muss Union bloß eine Geldstrafe bezahlen oder bei einem der nächsten Spiele auf Zuschauer verzichten.

Soweit die gebrauchten Nachmittage – Jae-sung Lee hatte dagegen einen ausgesprochen schönen. „Ja, wir können gewinnen“, hatte der 32-Jährige vor dem Match gegen die Bayern gesagt, das in einer Zeitung übrigens vorab als wahrscheinliche „Partie des Horrors“ für die Mainzer bezeichnet worden war.

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Elke Wittich
Journalistin
Schreibt nicht nur über Sport, sondern auch über Verschwörungsideologien, skandinavische Politik und Königshäuser. *** Die ersten Artikel für den taz-Sport gestalteten sich allerdings etwas schwierig: Mit den Worten "Wie, die schicken uns heute eine Frau?" wurde ich beispielsweise vor Jahren von einem völlig entsetzten Vorsitzenden eines Westberliner Fünftligavereins begrüßt. Da war er also, der große Tag, an dem über seinen Club in der taz berichtet werden würde, und dann das: Eine Frau! Ich antwortete ja, ich sei die Strafe und sofort war die Stimmung super. *** Und eines Tages werde ich über diesen Tag und andere, sagen wir: interessante Begegnungen mal ein Buch schreiben.
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1 Kommentar

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  • Allerlei Gebrauchtes! Das könnte man auch über diesen Artikel sagen, frei nach dem Motto: Mir fällt nix ein, aber ich schreibe trotzdem was.



    Es gibt nicht nur den gebrauchten Nachmittag, sondern sogar den gebrauchten (ganzen!) Tag. Und dieser Ausdruck wird beileibe nicht nur von Fußballern benutzt.