Feuerprobe fürs Gesetz: Automatisch ein Denkmal
Ein neues Gesetz den Schutz von erhaltenswürdigen Gebäuden vereinfachen. Die Immobilienlobby protestiert und fordert Sonderregelungen.
Die Immobilienlobby macht Front gegen das neue Denkmalschutzgesetz – und fordert freie Hand für die Eigentümer. Nachdem der Senat im Oktober das von Denkmalschützern seit Jahren geforderte Gesetz beschlossen hat, gab es am Donnerstagabend eine Expertenanhörung mit den Konfliktparteien. Das „Ipsa Lege“-Gesetz soll künftig alle Denkmäler automatisch unter Schutz stellen. Damit fällt die bisherige Unterteilung in geschützte und „erkannte“ Denkmäler.
Das Gesetz, das alle Denkmäler vor dem Gesetz gleichgestellt ist in zwölf Bundesländern längst Gang und Gäbe. Von den 4.900 „erkannten Denkmälern“ sind nach der alten Regelung nur 1.900 Gebäudeensemble in die Denkmalliste eingetragen und gelten dadurch als geschützt. Mit dem neuen Gesetz sind künftig rund zwei Prozent aller Häuser in Hamburg denkmalgeschützt.
Die Gesetzesnovelle stößt bei der Wohnungswirtschaft auf wenig Gegenliebe. Peter Hitpaß vom Verband Norddeutscher Wohnungsunternehmen (VNW), fordert Ausnahmen für die Eigentümer, damit diese etwa bei der energetischen Sanierung freie Hand bekommen.
Innerhalb der Stadtentwicklungsfraktion der SPD ist das Gesetz nicht unumstritten. „Das Gesetz muss praktikabel sein und soll den Wohnungsbau nicht beeinträchtigen“, sagt der stadtentwicklungspolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Dirk Kienscherf. Der Denkmalschutz müsse „an den Zeitgeist angepasst werden“, sagt er. Letztlich müssten ja auch die Mieter für überteuerte Wärmedämmungen aufkommen. Denn die werden komplett auf dem Mieter übertragen. Außerdem dürfe der Denkmalschutz nicht dazu führen, dass auf Grundstücken nicht mehr nachverdichtet werden darf.
Nach dem alten Recht seien die Eigentümer gefragt worden, bevor ein Gebäude unter Schutz gestellt wurde, so Hitpaß. Erst anschließend sei das Verfahren zur Unterschutzstellungs eingeleitet worden. Genau in diesem Punkt sieht aber die Kulturbehörde den entscheidenden Vorteil.
„Während das Denkmalschutzamt bislang vor allem mit der Unterschutzstellung beschäftigt ist, kann es sich künftig auf seine eigentliche Aufgabe konzentrieren – und die beratende Funktion in Sachen denkmalgerechter Sanierung übernehmen“, sagt Kulturbehörden-Sprecher Enno Isermann.
Gerade weil Denkmäler mit der Zeit verändert werden müssen, fordert Architekt Joachim Reinig mehr Kapazitäten für die Denkmalpflege. Lange waren beispielsweise barrierefreie Zugänge bei Baudenkmälern Tabu. Das hat sich geändert. Wichtig sei, so der Architekt, dass nicht jeder Einzelfall für sich bewertet wird, sondern dass es Gebäude-typische Lösungen gebe.
Die endgültige Entscheidung über das neue Gesetz liegt nun bei der Bürgerschaft. Am 26. Februar wird der Senat zum Thema befragt. Die Bürgerschaft entscheidet dann Ende März. Die Linksfraktion will einen Antrag zu stellen, wonach der Denkmalrat gestärkt und der höhere Geldbußen fällig werden sollen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Vorsicht mit psychopathologischen Deutungen
Kochen für die Familie
Gegessen wird, was auf den Tisch kommt
Angriffe auf Neonazis in Budapest
Ungarn liefert weiteres Mitglied um Lina E. aus
Insolventer Flugtaxi-Entwickler
Lilium findet doch noch Käufer
Polizeigewalt gegen Geflüchtete
An der Hamburger Hafenkante sitzt die Dienstwaffe locker
Mangelnde Wirtschaftlichkeit
Pumpspeicher kommt doch nicht