piwik no script img

Feuer in SpanienUrlaubsland ist abgebrannt

Ascheregen, gelber Himmel – Spanien wird von Waldbränden in bisher nicht gekanntem Ausmaß heimgesucht. Die Feuerwehren sind völlig überfordert.

Südeuropa brennt: Feuer in Vilar de Condes im spanischen Galicien Foto: Nacho Doce/reuters

Viele Urlaubsberichte aus Spanien sehen dieses Jahr anders aus als üblich. Statt Fotos von Bergtouren oder vom Baden im See schickt, wer in den spanischen Norden und Nordwesten gefahren ist, Erschreckendes per Messenger­dienst an Freunde und Daheimgebliebene. „Der Himmel ist gelb, die Sonne rot. Asche hat’s eigentlich die ganze Woche geregnet, am meisten aber in der Nacht vom 14. auf den 15. August“, schreibt eine Freundin, die ihre Familie in Galicien besuchte.

Ein anderer Freund, der ­jeden Sommer zwei bis drei Wochen in Asturien verbringt und gerne wandert, berichtet von viel zu hohen ­Sommertemperaturen und auch von „Asche und Rauch die ganze Zeit“. Seine Familie besuchte die Seen von ­Covadonga im Nationalpark ­Picos de ­Europa, „just bevor der Waldbrand ausbrach“. „Was für ein Horror“, sagt er. Wandern sei nicht mehr möglich. Das betrifft nicht nur die Regionen, in denen es brennt. Selbst in den Bergen Zentralspaniens geht der Rauch auf die Lunge. Starke Winde verbreiten ihn übers ganze Land. Sogar in Madrid, Hunderte Kilometer von den großen Waldbränden entfernt, stinkt es verbrannt.

In nur drei Wochen sind mehr als 3.640 Quadratkilometer abgebrannt, eine Fläche von der Größe Mallorcas. Eine solche Waldbrandwelle hat Spanien noch nie gesehen. Die Brandherde wüten im nordwestspanischen Galicien, in den Provinzen Ávila, León und Zamora im Norden der zentralspanischen Region Kastilien und León und weiter im Süden in der Extremadura. Bei Redaktionsschluss waren noch immer 18 Brandherde ganz oder teilweise außer Kon­trol­le. Naturschutzgebiete, ganze Viehherden, abgelegene Dörfer fallen den Flammen zum Opfer. Über 34.000 Menschen mussten evakuiert werden. Dutzende wurden zum Teil schwer verletzt. Vier Tote sind bisher zu beklagen.

Laut der ­Umweltschutzeinheit der spanischen Polizei­truppe Guardia Civil sind 96 Prozent der Brände Folge menschlichen Handelns, sei es absichtlich oder fahrlässig, der Rest ist meist auf die Folgen von Blitzeinschlägen zurückzuführen. 33 mutmaßlich Verantwortliche für Brände wurden bisher festgenommen. Ihnen drohen bis zu 20 Jahren Haft. Gegen weitere 93 wird ermittelt. Die Staatsanwaltschaft hat auch die Verwaltung im Blick. Sie prüft, ob die vom Feuer am stärksten betroffenen Gemeinden über den vorgeschrieben kommunalen Brandschutzplan verfügen oder nicht.

wochentaz

Dieser Text stammt aus der wochentaz. Unserer Wochenzeitung von links! In der wochentaz geht es jede Woche um die Welt, wie sie ist – und wie sie sein könnte. Eine linke Wochenzeitung mit Stimme, Haltung und dem besonderen taz-Blick auf die Welt. Jeden Samstag neu am Kiosk und natürlich im Abo.

„Waldbrände werden im Winter gelöscht“

Die regionalen Feuerwehren sind völlig überfordert. Es fehlt ihnen in den drei Regionen – alle vom konservativen Partido ­Popular (PP) regiert – an Mitteln und Personal. In Kastilien und León, wo der PP nur dank Unterstützung durch die rechtsextreme Vox die Parlamentsmehrheit hat, werden die Waldbrandbekämpfungsbrigaden in den Wintermonaten nach Hause geschickt. Alles andere sei Geldverschwendung, ließ die Regionalregierung wissen.

„Waldbrände werden im Winter gelöscht“, sagt allerdings der Volksmund und mahnt Auf­räum­arbeiten in den Wäldern im Winter an, um sie von hochentzündlichem Unterholz und Gestrüpp zu befreien. Wo dies geschieht, brennt es tatsächlich weniger. Vielerorts, so etwa im Tal Valdeón in Nationalpark ­Picos de Europa, waren es die Bewohner der kleinen Ortschaften, die ihre Dörfer retteten. Sie widersetzten sich der Evakuierung und bekämpften mit prekären Mitteln die heranrückende Feuer­front.

Spaniens Regierungschef, der Sozialist Pedro ­Sánchez, spricht von Klimanotstand. Nicht dass es brennt, sondern wie es brennt, sei Folge des Klimawandels. Viele der unkontrollierbaren Feuer sind sogenannte Waldbrände der sechsten Generation. Solche Brände setzen so viel Energie und Hitze frei, dass sie ein Eigenleben führen – anders als die üblichen Brände. Die Feuer bewegen sich mit Geschwindigkeiten von weit über 20 Kilometer pro Stunde, breiten sich gar gegen den Wind oder ganz untypisch bergab aus, ändern unerwartet ihre Richtung und sind in der Lage, die Wetterbedingungen in ihrer Umgebung zu verändern. So erzeugen sie Wolken, Stürme und sogar Blitze. Das Inferno zu kontrollieren, ist kaum möglich.

Regierungschef Sánchez wird im September einen nationalen Klimaplan ausarbeiten, für den er alle Parteien gewinnen will. Die konservative und rechtsextreme Opposition will davon nichts wissen. Klimapolitik gilt ihnen als ideologisch.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!