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Festakt zum 70. Geburtstag der CDU„Wir haben auch mal falsch gelegen“

Mit Häppchen und Streichquartett feiert die Union ihren 70. Angela Merkel ersetzt in ihrer Rede allfälliges Bauchpinseln durch kritische Worte.

Die Stützen der CDU-Politik vereint: Peter Tauber, Angela Merkel, Norbert Lammert, Sigmar Gabriel, Volker Kauder. Foto: dpa

Alles war bereit für die Sause zum 70. Geburtstag. Die Gäste waren geladen, der Festsaal war geschmückt, in einem Nebenraum standen Häppchen und Sekt bereit. Sogar das Wetter spielte mit: Nach tagelangem Juniregen strahlend blauer Himmel über Berlin.

Aber dann war am Wochenende vor der großen Party der Jubilar verunglückt. Nichts Lebensbedrohliches, nein. Aber doch ein übler Sturz. Nun humpelte das Geburtstagskind. Und das an seinem Ehrentag.

So ähnlich – wie eine lädierte ältere Tante – darf man sich die Christlich Demokratische Union am Tag ihrer Jubelfeier zum 70. vorstellen. Entsprechend gedämpft verlief denn auch die Feierstunde. Ins E-Werk, eigentlich ein stahlbetonierter Ort der Technogeschichte, hatte man Hunderte Stühle geräumt. Auf der Bühne spielte ein Streichquartett Klassisches. Davor, in die erste Reihe, hatte man Kabinettsmitglieder und Landespolitiker platziert. Der SPD-Vizekanzler war da, ebenso der Bundestagspräsident. Aus der Reihe dahinter grüßten Grüne und FDP. Sie alle sollten Angela Merkels Erscheinung umkränzen.

Die CDU-Bundesvorsitzende – quasi das Geburtstagskind – war im knallroten Blazer erschienen. Und doch: Man sah die Müdigkeit in ihren Augen. Und man ahnte den Verdruss und die Ratlosigkeit angesichts der Ereignisse vom Wochenende. In der Eurokrise hatte sich der griechische Ministerpräsident Alexis Tsipras geweigert, auf die Bedingungen der europäischen Institutionen einzugehen. Im Gegenteil, er will nun seine Landsleute darüber abstimmen lassen. Ein Husarenritt.

Und nun also Party? Schwierig.

Statt Gedicht- und Liedvorträgen hatte die Regie junge und alte CDU-Mitglieder eingeladen, die auf die entsprechenden Fragen der Moderatorin zum Ausdruck bringen durften, wie glücklich ihre Parteimitgliedschaft sie mache. Fast schon beängstigend geschliffen kamen die Einlassungen des 18 Jahre alten Neumitglieds Britt-Marie Lakämper rüber. Da wirkte es geradezu rührend, als der Rheinland-Pfälzer Heinz Schwarz von seiner 69 Jahre währenden Parteimitgliedschaft sprach und daran erinnerte, dass, wer eine Zukunft haben wolle, sich auch seiner Vergangenheit bewusst sein müsse.

Veränderung. Toleranz. Werte. Irrtümer

Schließlich, nach mehr als einer Stunde, hatte die Vorsitzende das Wort. Angela Merkel machte das Beste draus. Vor ihren Gratulanten hielt sie eine bemerkenswert lebensnahe Rede. Allfälliges Bauchpinseln ersetzte sie durch kritische Worte. „Wir haben die Weisheit nicht gepachtet“, mahnte sie die 452.700 CDU-Mitglieder zu Selbstkritik und Veränderungsbereitschaft. „Wir haben auch mal falsch gelegen. Das sollte uns demütig machen beim Suchen von Lösungen.“ Die CDU müsse skeptisch bleiben gegenüber einfachen Antworten.

Überraschend offenherzig ging sie auf die Herausforderungen ein, die aktuell mit der Zuwanderung einhergehen. „Wir sind das zweitbeliebteste Einwanderungsland“, sagte Angela Merkel. „Die CDU spricht darüber nicht so gerne. Aber das lernen wir auch noch.“ Mut sei immer auch die Bereitschaft, etwas zu verändern. Ihr gefalle, dass in der Partei hart um Veränderungen gerungen werde. Das dürfe aber nicht dazu führen, dass die Partei hinter aktuellen Erfordernissen zurückbleibt.

Sie sagte das in der stickig heißen Luft zu den CDU-Granden und den Gästen. Aber jeder ihrer Sätze durfte getrost auch doppelt gelesen werden.

Veränderung. Toleranz. Werte. Irrtümer. Es sind Stichworte, die sich auf die aktuelle Situation in der Koalition, im Bundestag, in Europa beziehen. Jeder, so Merkels Botschaft, ist gut beraten, sich nicht auf die eigene Position zurückzuziehen. Es braucht Debatten und Kompromissbereitschaft, um voranzukommen. Angesichts einer Lamettaveranstaltung wie dieser sehr ernste Mahnungen. Und einer Jubilarin durchaus angemessen, die in den zurückliegenden Tagen heftige Schläge einzustecken hatte.

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2 Kommentare

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  • Merkel sollte alle christlichen Privilegien abschaffen!

     

    Wenn Frau Merkel ihre sicher gut gemeinte Mahnung an ihre Partei zu Veränderungsbereitschaft und Demut wirklich ernst meint, müsste sie bei sich selbst anfangen und massiv für Abschaffung sämtlicher extrem ungerechten christlichen Privilegien eintreten, welche nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs katholische Bischöfe mit Gewalt durchgesetzt hatten – zumal kürzlich das Bundesverfassungsgericht geurteilt hat, dass nach Grundgesetz-Art. 4 auch das Christentum nicht bevorzugt werden darf. Auch die christliche Nächstenliebe ist massiv gegen jegliche Bevorzugung.

     

    Frau Merkel müsste sich z.B. sehr für folgende Änderungen einsetzen:

    im Grundgesetz statt Gottesbezug Bezug auf Menschenrechte;

    statt Kirchensteuer Einzug der Mitgliedsbeiträge durch die Kirchen selbst;

    statt Religionsunterricht an öffentlichen Schulen z.B. Ethik und Weltanschauungskunde

    und statt den vielen staatlichen christlichen Feiertagen nur weltanschauungsneutrale Feiertage wie z.B. Feiertage des Friedens, der Liebe, Demut, Gerechtigkeit, Natur (zum Feiern der eigenen religiösen oder nichtreligiösen Weltanschauung sollte jeder Mensch ca. fünf Tage im Jahr frei bekommen).

  • Nach dem frischen Versagen bei der innereuropäischen Politik musste die Party wohl was bescheidener ausfallen. Und schon mal dachte ich als Nicht-FDP-Anhänger, wenn doch Genscher noch der Außenminister wäre oder - als Nicht-SPD-Anhänger - Brandt noch Kanzler. Nicht nur die CDU sondern die gesamte gegenwärtige Bundesregierung ist geschmeichelt formuliert so was von mittelmäßig.