Fernsehrat kritisiert "Frontal 21": Union schießt gegen ZDF
Ein Beitrag von "Frontal 21" zur Hamburger Schulreform vom April 2010 sei sachlich einseitig und tendenziös moderiert gewesen, findet der Fernsehrat.
BERLIN taz | Die Union schiesst weiter gegen das ZDF. Nach dem Chefredaktionsausschuss hat jetzt auch der Fernsehrat mit der Mehrheit seiner unionsnahen Mitglieder das ZDF-Magazin "Frontal 21" abgewatscht. Ein Beitrag zur Hamburger Schulreform vom April 2010 sei sachlich einseitig und tendenziös moderiert gewesen, befand das oberste ZDF-Gremium bei seiner Sitzung am Freitag. "Zum wissenschaftlichen Streitstand wurde ein einseitiger Eindruck erweckt", heißt es in dem Beschluss.
"Die Vorgabe zur Selbstverpflichtung zur Moderation ist nicht eingehalten worden". Dies ist schärfste Rüge des Fernsehrates an einem journalistischen ZDF-Format seit Jahren. ZDF-Intendant Markus Schächter wies die Kritik umgehend zurück: Für ihn ist das Ganze lediglich "eine Programmkritik", sagte Schächter auf taz-Nachfrage: "Ich habe in der Diskussion deutlich gemacht, dass ich eine andere Einschätzung habe. 'Frontal 21' braucht Ecken und Kanten" sagte der ZDF-Chef, dem die Union 2009 schon den Chefredakteur abgeschossen hatte.
Damals hatten Unionsvertreter im ZDF-Verwaltungsrat Schächters Plan, den Vertrag von Nikolaus Brender um weiter fünf Jahre zu verlängern, abgelehnt. Neuer ZDF-Chefrdedakteur ist seit April 2010 Peter Frey. Wegen der politischen Eingriffe hat das Bundesland Rheinland-Pfalz eine Verfassungsklage wegen mangelnder Staatsferne beim ZDF in Karlsruhe eingereicht.
Der ZDF-Fernsehratsvorsitzende, der CDU-Bundestagsabgeordnete Ruprecht Polenz, wollte nach der Sitzung die Schärfe des Fernsehratsbeschlusses nicht bewerten: Er werde "keine Schulnoten verteilen", was den Stellenwert der Rüge angehe, stellte aber klar: "Hier wurde kein Programmgrundsatz verletzt". Andere Fernsehräte kritisierten die mit der deutlichen Mehrheit der unionsnahen Mitglieder gefassten Entscheidung.
"Seit Monaten wird versucht, der Redaktion von 'Frontal 21' Druck zu machen", sagt ZDF-Fernsehrat Michael Konken, der für den Deutschen Journalisten-Verband in dem Gremium sitzt und den so genannten "roten Freundeskreis" angehört. Die Stimmung in dem Gremium werde seit der Causa Brender immer gereizter, so Konken.
In hübscher Einmütigkeit soll sich immerhin die Suche nach einem neuen Intendanten gestalten (- die weibliche Form wird in Mainz nicht mal pro forma verwendet). Schächter hatte im Januar überraschend angekündigt, nicht für eine dritte Amtszeit zur Verfügung zu stehen.
Als Favorit für die Nachfolge gilt ZDF-Programmdirektor Thomas Bellut, der für schwarze wie rote ZDF-AufseherInnen akzeptabel scheint. Die Stelle soll nun zunächst offiziell ausgeschrieben werden, im Mai werde sich der Fernsehrat dann mit den potentiellen Kandidaten befassen, sagte Polenz.
Leser*innenkommentare
Michael fsd
Gast
Unsere Öffentlich-Rechtlichen sind Beute der Parteien... so wie es in diesem Staat mittlerweile leider üblich ist.
Unsere Verfassungsväter würden im Grabe routieren...
Hans Lotus
Gast
Und Deutschland bzw. die CDU hat die Frechheit, sich über Ungarn zu echauffieren.
pablo
Gast
Eine stark abgeschwächte Form des Mediensystems Berlusconi(nur das ihm die Medien tatsächlich gehören).
edstrolch
Gast
Wer watscht Report Mainz ab ?
In deren Sendung vom 14.02.11, "Wie die Linken bei den Wahlen in Hamburg punkten wollen" ,erlebte ich den Tiefpunkt öffentlich rechtlichen Fernsehens.Nicht nur sachlich einseitig, sondern auch so moderiert. Meinungsmache, schäbig und unterirdisch, Bild ist dagegen ein literarischer Zirkel.
In diesem Falle, nicht nur abwatschen, wegen Wiederholung "alternativlos" einstellen !
Was bedeutet dieses unterschiedliche Verhalten, der Aufsichtsgremien wie z.B. des Fernsehrates ?
Es gibt keinen Unterschied unserer sogenannten Meinungsfreiheit zu den Despoten in Nordafrika, Rußland, Italien und vielen, vielen Ländern dieser Erde. Meinung wird alleine vom Kapital gemacht und von den HelferInnen der Politik in Gesetze gegossen.Die meisten Printmedien, ausgenommen taz, berichten wie der Herausgeber vorgibt und die Discounter mit ihren Werbeaufträgen es erwarten.Öffentlich rechtliche Rundfunk-und Fernsehen ja, aber Parteien raus aus dem Fernsehrat, das Volk rein !
Vasco Schultz
Gast
Komisch, dass die sich nciht im gleichen Zuge über Report Main aufregen. Was die teilweise bringen hat Stürmer-Qualitäten...
Bitbändiger
Gast
Von einem Gremium, dem solche Geistes"größen" wie z.B. die Herren Dobrindt und Gröhe (vermutlich sogar tonangebend) angehören, kann man realistischerweise keine Glanzlichter der Meinungsfreiheit erwarten. Ein wenig enttäuscht bin ich von Herrn Polenz, der in der Vergangenheit durchaus öfter mal Mut und Fähigkeit zu unabhängigem Denken erkennen ließ.
Selbstverständlich dürfen Journalisten in einer gesellschaftlich relevanten Frage wie der Schulpolitik auch Stellung beziehen, idealerweise - wie im vorliegenden Fall - zugunsten des intelligenteren Konzepts. Von Herrn Schächter und der frontal21-Redaktion erwarte ich, dass die Karawane unbeirrt weiterzieht.
Gerda Fürch
Gast
Das Demokratieverständnis und Pressefreiheitverständnis ist bei einigen oder vielen "CDU-Fürsen" äußerst mangelhaft ausgeprägt oder durch Herrn Dr. (!!!) Helmut Kohl regelrecht verdorben worden.
Herr Dr. (!!!) Helmut Kohl, der auch Historiker sein will, aber nach meiner persönlichen langjährigen Beobachtung und meiner nicht veränderten Einschätzung nur ein sehr mittelmäßiger oder noch niedriger anzusiedelnder Historiker, hat es in seiner Selbstherrlichkeit als 16 Jahre langer "Regent" seinerzeit persönlich gewagt, die ARD massiv anzugreifen und zu stutzen! Die ARD hat sich erst in den 10er Jahren von diesem Schock erholt.
Jetzt ist zur Abwechslung mal das ZDF dran oder richtiger einige Redaktionen des ZDF's, die einigen "CDU-Fürsten" nicht in den politischen Kram bzw. in die ach so segensreiche politische Richtung passen.
Ob diese "CDU-Fürsten" beim diesjährigen Sommerfest des ZDF's in Berlin dabei sein werden? Oder demonstrativ aus Protest diesem Fest der gesamten und ausgewogenen Journaille, der Künstlerinnen und Künstler, Schauspielerinnen und Schauspieler etc. und vor allem dem großen weißen V.I.P.-Zelt fernbleiben werden?
Ich glaube, niemand wird diese irgendwie undemokratischen Leute auf dem ZDF-Fest vermissen!
keetenheuve
Gast
Spätestens wenn man Jan Fleischhauers Buch "Unter Linken" gelesen hat, weiß man um das politisch korrekt gleichgeschaltete ZDF Bescheid. Sehr aufschlußreich beschreibt Fleischhauer als Teilnehmer der Islamkonferenz, wie auf Wunsch von Islamvertretern das ZDF zu einer anderen (islamfreundlichen) Berichtertattung in allen Sendeformaten verpflichtet wurde. Zur Kontrolle und "Mitwirkung" wurde einfach der protestführende Teilnehmer an der Islamkonferenz in das ZDF-Aufsichtsgremium entsandt.
philipp
Gast
"die weibliche Form wird in Mainz nicht mal pro forma verwendet"
Dass biologisches Geschlecht und grammatikalischer Genus zwei verschiedene Sachen sind, sollte sich doch langsam auch mal in der taz rumgesprochen haben, zumal Journalisten ja Profis sind, was Sprache angeht.
Ansonsten einfach mal das hier lesen:
http://www.bruehlmeier.info/sprachfeminismus.htm
...
Gast
ein weiteres, akutelles bsp ist die "reportage" von report mainz :Bürgerliche Fassade – radikale Ansichten -- wie die linken bei den wahlen in hamburg punkten wollen --
tja, wahlkampf geht los... unser freiheitlicher akt alles erdenkliche in unserem leben, drumherum und eh überhaupt selbst bestimmen zu können. dat is spitze!
FAXENDICKE
Gast
Darf sich dieses von Lobbyisten, Banken, Versicherern und korrupten, verlogenen Polithanseln regierte Staatswesen wirklich noch ernsthaft Demokratie nennen?
emil
Gast
ein wissenschaftlicher streitstand ist mir überhaupt nicht bekannt.
der wissenschaftliche stand ist, dass der bildungserfolg vom milieu abhängt, und die politik nichts unternimmt um dem zu begegnen.
welcher hohn, ein format anzugreifen, was genau in diese kerbe schlägt.
aber getroffene hunde bellen nunmal.
so langsam gehen mir allerdings auch die argumente aus, an die gez zu zahlen. wenn ein parteiblock gleich welcher couleur einfach meinungsmache betreibt und damit programmbestimmend wirkt sehe ich keine unabhängigkeit mehr.
Thomas Grasmundt
Gast
Merkwürdig, wie dünnhäutig die CDU dieser Tage ist. Irgendwie bezeichnend...
Bernd Goldammer
Gast
Wir erleben hier eine Zustandsbeschreibung der deutschen Demokratie.