piwik no script img

Ferienflieger auf US-Airbase in ItalienMit Airberlin zum Drohnen-Stützpunkt

Maschinen von Air Berlin heben im sizilianischen Catania von einem US-Militärstützpunkt ab. Das hat abenteuerliche Konsequenzen für die Fluggäste.

Ziviler Airport? US-Militärstützpunkt? Flugziel unbekannt. Bild: dpa

ROM taz | „Bitte schalten Sie nach der Landung die Mobiltelefone erst beim Erreichen der Parkposition an – und dann schalten Sie die Fotoapparate und Videokameras umgehend ab!“

Eine ganz neue Durchsage dürfte vom heutigen Montag an Passagiere erwarten, die im sizilianischen Catania landen. Denn: Zivilflugzeuge von Airberlin oder Alitalia werden hier nicht mehr auf dem Stadtflughafen, sondern im militärischem Sperrgebiet niedergehen, auf dem Luftwaffenflughafen Sigonella.

In Catania wird derzeit die einzige Piste des Flughafens Fontanarossa neu asphaltiert, zudem benötigt die Landebahn neue Sicherheitsstreifen. Das dauert einen Monat. Einen Monat, in dem die Airportmanager den Betrieb auf dem sechstgrößten Flughafen des Landes – rund sieben Millionen Passagiere starten und landen hier jedes Jahr – komplett einstellen. Ihre Idee: Warum nicht nach Sigonella ausweichen? Nur zwanzig Kilometer entfernt von Fontanarossa liegen die Rollbahnen von US-Airforce und italienischer Luftwaffe.

Gesagt, getan. Bis zum 5. Dezember wird auf der Airbase Sigonella das „Double-Use“-Prinzip regieren. So kann es passieren, dass hier zuerst amerikanische Drohnen Richtung Libyen abheben, zu Aufklärungszwecken oder auch mit einer „intelligenten Bombe“ an Bord. Dann rollt zehn Minuten später die Airberlin-Maschine Richtung Flughafen Köln Bonn auf die Startbahn.

Gepäck in gepanzerten Lieferwagen

Sonderlich bequem dürften sich Reisen nach Sizilien – vor allem auf dem Rückflug – künftig nicht gestalten. Geschlagene drei Stunden vor dem Start nämlich müssen die Passagiere sich im Zivilflughafen von Catania einfinden, dort einchecken und ihr Gepäck aufgeben. Dann geht es mit Shuttle-Bussen auf den Militär-Airport, das Gepäck kommt in „gepanzerten Lieferwagen“, wie die italienische Presse meldet, hinterher.

Spätestens beim Passieren der Tore von Sigonella herrscht absolutes Fotografier- und Filmverbot. Schließlich befinden sich die Fluggäste auf einer Airbase, die den USA als strategisches Drehkreuz nicht bloß für den Mittelmeerraum, sondern für den gesamten Nahen und Mittleren Osten bis hin nach Syrien und Jemen dient.

Da versteht es sich von selbst, dass „der autonome Zugang von Passagieren und/oder eventuellen Begleitern nach Sigonella“ von den Flughafenbehörden kategorisch ausgeschlossen wird. Genauso versteht es sich von selbst, dass die Passagiere sich auf Abfertigungszeiten einrichten dürfen, die oft genug die Flugdauer überschreiten – bereits als „zusätzliche Verspätungen“ angekündigt.

Kaum jemand aber – außer der stramm linken Tageszeitung Il Manifesto und einigen pazifistischen Gruppen auf Sizilien – stellt die Frage, wie es denn um die Sicherheit der Passagiere bestellt ist. Sigonella ist seit den späten 50er Jahren eine der wichtigsten Basen der USA im Mittelmeerraum.

In die Geschichte ging der Flughafen im Jahr 1985 ein, als sich dort amerikanische und italienische Soldaten mit gezückten Waffen gegenüberstanden: Die USA hatten dort ein Flugzeug mit fünf palästinensischen Terroristen an Bord zur Landung gezwungen, doch Italiens Regierung unter Bettino Craxi verweigerte die Übergabe der Passagiere.

Kein besonders sicheres Fluggerät

Solche Gefahren drohen in den nächsten vier Wochen wohl kaum. Doch das Nebeneinander der Starts und Landungen von US-Drohnen und Passagiermaschinen wirft heikle Fragen auf. Als besonders sicheres Fluggerät gelten die unbemannten militärischen Großflugzeuge bisher nicht.

So wollte denn auch Italiens Luftwaffe zunächst von der auch nur vorübergehend zivilen Nutzung der Airbase Sigonella aus Sicherheitsgründen nichts wissen. Dann aber gaben die Militärs dem politischen Druck klein bei – mangels Alternativen.

Also: Einigen Fluggesellschaften naht Unheil. Die Lufthansa ist fein raus: „Wir steuern im Winterflugplan Catania sowieso nicht an“, lässt ihre Pressestelle dazu verlauten. Der Ferienflieger Airberlin dagegen will Catania unverdrossen weiter bedienen – und versichert den Passagieren, Unannehmlichkeiten „so gering wie möglich“ halten zu wollen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

11 Kommentare

 / 
  • JQ
    Jaqueline Q.

    @Kevin R.:

     

    Zitat: 'Wer trotzdem fliegt [...], soll sich nicht über die Bedingungen beschweren'

     

    Leute die so argumentieren, haben außer Mord und Totschlag noch nichts auf der Welt bewirkt.

  • S
    super

    Wow!

    In Rostock-Laage ist dies übrigends immer so,

    der Flugplatz wird seid Anfang der 90er von Luftwaffe und zivilen Airlines genutzt.

  • JS
    Jurgen Sasse

    Skandaloeser ist allerdings, dass erst der ehemalige Militaerflughafen Comiso/Ragusa als Ausweichflughafen fuer die Jahre benoetigende Renovierung des Flughafen Catania mit riesigen Investitionen (auch von der EU) zu einem Zivilflughafen umgebaut wird, dann aber schluesselfertig vergammelt, da er wegen politischer Intrigen ungenutzt bleibt, obwohl er schon 2 Mal(!)oeffentlich eingeweiht worden ist.

  • KR
    Kevin R.

    Die Sorgen von Fluggästen sind mir so was von fern. Auch was die taz über kontaminierte Kabinen berichtet, finde ich einfach nur verlogen. Alle wissen, dass Fliegen die mit Abstand klima- und umweltschädlichste Fortbewegungsart ist. Wer trotzdem fliegt und damit Mitmenschen und Nachgeborenen den Mittelfinger zeigt, soll sich nicht über die Bedingungen beschweren - jedenfalls nicht bei mir und nicht in einer Qualitätszeitung.

     

    @Lars Meyer: Nee, Michael Braun ist nicht der taz-Prakti, sondern der Italien-Korrespondent ...

  • JS
    Jurgen Sasse

    Skandaloeser ist allerdings, dass erst der ehemalige Militaerflughafen Comiso/Ragusa als Ausweichflughafen fuer die Jahre benoetigende Renovierung des Flughafen Catania mit riesigen Investitionen (auch von der EU) zu einem Zivilflughafen umgebaut wird, dann aber schluesselfertig vergammelt, da er wegen politischer Intrigen ungenutzt bleibt, obwohl er schon 2 Mal(!)oeffentlich eingeweiht worden ist.

  • TL
    Tim Leuther

    Na liebe taz,

     

    es ist sicher viel bequemer in Neapel zu landen und dann mit dem Shuttle-Bus zu fahren. So 6 Stunden pro Richtung. Sagt Google. Wahrscheinlich aber nur wenn die Fähre passt.

  • K
    kotsch

    Na ja, ziemlich überzogen der Artikel. Und so aussergewöhnlich ist die ganze Tatsache auch nicht. Auf griechischen Inseln sind die Flughäfen in der Regel auch Militärflughäfen und fotografieren ist dort auch schon immer verboten. Kratzt auch niemanden.

  • N
    Normalo

    Liebe taz,

     

    da habt Ihr ja wieder mal einen Skandal globalen Ausmaßes aufgedeckt: Ein wichtiger Flughafen in Italien ist vorübergehend unbrauchbar, und die Notlösung, die man sich für die Übergangszeit ausgedacht hat, zeigt tatsächlich einige erkennbare Merkmale einer - jetzt wird's übel - Notlösung!

     

    Ich bin schockiert - schockiert, feststellen zu müssen, dass auf einer aktiven Luftwaffenbasis unverhohlen militärischer Luftverkehr stattfindet und das auch noch praktische Konsequenzen hat. Und das wird in Italien einfach totgeschwiegen (außer von eine paar Unbeugsamen, die nicht aufhören...)! Das Drama zieht mir die Schuhe aus.

     

    Nochmals also vielen Dank für dieses Paradestück demokratierettenden Enthüllungsjournalismus! Allerdings vermisse ich ein Plädoyer für Schadensersatzzahlungen an die Airberlin-Passagiere für den seelischen Schaden, den man zweifellos erleidet, wenn man denselben Flughafen benutzt wie die seelenlosen Killerdrohnen des bösen Darth Obama.

     

    (ps Diese Drohnen sind übrigens keine pummeligen männlichen Gliederfüßer, die in Sigonella chaotisch in der Gegend herumschwirren, sondern sündteure Hightech-Geräte, mit denen das US-Militär genauso sorgsam umgeht wie mit seinen bemannten Fliegern)

  • LM
    Lars Meyer

    da durfte wohl mal wieder der praktikant schreiben: nicht ganz "sichere" drohnen und ein strategisches "drehkreuz". beides sind gemeinplätze, um die definitionen oder etwa fakten, um die definitionen zu untermauern, wird sich nicht gesorgt. am stammtisch entstanden?

  • LM
    Laszlo Maraz

    Heul doch! Oder bleibt einfach mal zuhause. Ist besser für den Klimaschutz und schaut euch mal zuhause um, da gibts auch schöne Gegenden.

  • D
    Desconocido

    Wieso wird das eigentlich so kritisch betrachtet wenn das Militär so freundlich ist und ihren Flugplatz zur verfügung stellt? Wenn die es nicht möglich machen würden das dort zivile Maschinen runterkommen können, würden die Fluggäste deutlich schlimmere Nachteile in kauf nehmen müssen. Es ist doch sicherlich besser mit einem Bus zum Nachbarflugplatz zu fahren als erst mit der Fähre aufs Festland zu schippern. Das auf einem aktiven Militärflugplatz keine Zivilisten frei rumrennen dürfen und Aufnahmen verboten sind, versteht sich doch eigentlich von selbst. Im übrigen dient dieses auch der Sicherheit der Passagiere. Denn dort sind in vielen Bereichen nicht die notwendigen Absperrungen im Flugbetriebsbereich die verhindern würden das unwissende und evtl. unaufmerksamme Laien in gefährliche Situationen hineinrennen. Das ist auch eigentlich nicht nötig da die Personen die sich normalerweise dort aufhalten, ausgebildet sind sich dort sicher zu bewegen (ich kenne den Flugplatz aus erster Hand und kann das einschätzen).

    Ich würde es als freundliche Tat bezeichnen das das Militär dieses Möglich gemacht hat.