Ferien nach dem Tod eines Angehörigen: Die Trauer reist mit

Nach einem Verlust fällt es vielen schwer, die Ferien zwischen fröhlichen Urlaubern zu verbringen. Doch auch hier gibt es Angebote.

Wenn die Einsamkeit zu groß wird. Bild: DPA

Beatrice Biesel kennt die Leere im Leben. Die Lücke, die ein geliebter Mensch hinterlässt. Vor eineinhalb Jahren hat sie ihren Mann verloren: Er kam nach Hause, setzte sich aufs Sofa - und war kurz darauf tot. „Ich wusste zwar bald, dass ich das überlebe“, sagt die 59-Jährige, „die Frage war nur, wie. Mit welchen Folgen für Körper und Seele?“

Sie suchte Unterstützung in einem Gesprächskreis. Und dachte irgendwann auch über das Thema Urlaub nach: Ob sie jemals wieder allein fahren und fremde Länder genießen könnte. Und wie das wohl wäre mit den anderen Pärchen im Urlaub.

Für Trauernde ist es schlimm, zwischen fröhlichen Menschen zu sitzen und den Schmerz umso stärker zu fühlen. Eine Witwe erträgt es kaum, mit lauter Paaren unterwegs zu sein. Noch unerträglicher wird es, wenn eine der Mitreisenden fürchtet, die Witwe könne ihr den Mann ausspannen. Wie also reisen? Viele Trauernde verbinden mit früheren Urlauben schöne Erinnerungen und fürchten, allein nie wieder losziehen zu können.

Das hat die Trauerbegleiterin Martina Taruttis oft gehört. Deshalb gründete sie vor 14 Jahren TrauDichReisen und organisiert seitdem Reisen für Menschen, die einen Verlust verkraften müssen - sei es wegen Scheidung, wegen Kündigung oder, vor allem, weil sie einen nahen Angehörigen verloren haben. Mit sechs bis acht Teilnehmern, die meisten 40 bis 55 Jahre alt, fährt sie beispielsweise in die Wüste Sinai oder in ein Kloster im Emsland. Das sind keineswegs Touren, bei denen nur Tränen fließen: „Trauernde werden von anderen schief angeschaut, wenn sie lachen. Deshalb reisen wir auch, um gemeinsam lachen zu können“, sagt Taruttis.

Auf allen Reisen für Trauernde ist das Verständnis der anderen wichtig, die dasselbe Schicksal haben. Aber es gehört mehr dazu: je nach Anbieter neben einem Besichtigungsprogramm auch Gespräche, Gottesdienste, Meditationen und Trauerrituale, die am Ende den Blick nach vorne öffnen sollen. Die Reisenden pflanzen Bäume, zeichnen, legen Mandalas am Strand und wandern auf den Spuren Heiliger.

Trauerbegleiter bieten mancherorts Reisen an, Informationen gibt es unter anderem bei den Kirchen und in Hospizen.

Bayerische Pilgerbüros unter Telefon (0 89) 5 45 81 10, www.pilgerreisen.de

Martina Taruttis unter Telefon (0 21 63) 8 22 45,www.traudichreisen.de

Reisen auf die Kanarischen Inseln unter www.silencio-reisen.de

Weitere Kleinveranstalter von Reisen für Trauernde sind Regen-Bogen-Reisen, Wendepunkte, Care and Sail. Man findet sie unter www.trauerreise.de

Reisen der TUI Telefon (0 22 02) 93 581 80, www.reiseinsleben.de

In manchen Städten gibt es längst Trauerbegleiter, die Reisen für ihre Gruppen anbieten. Inzwischen sind aber auch Reiseveranstalter auf den Zug aufgesprungen: kleinere Spezialisten wie Regen-Bogen-Reisen, der Kreuzfahrten ebenso anbietet wie Wellnessurlaub am Tegernsee, und Silencio Reisen, der einwöchige Reisen auf die Kanarischen Inseln veranstaltet. Manche Anbieter, wie „Wendepunkte“ und „Care and Sail“, haben vor allem Hausboot- und Segeltouren im Programm.

Doch auch namhafte Veranstalter mischen mit: Das Bayerische Pilgerbüro bietet in diesem Jahr erstmals Reisen „für Menschen in schwierigen Lebenssituationen“. Sogar Europas größter Tourismuskonzern TUI hat „Reisen ins Leben“ im Programm und arbeitet dabei mit der Privaten Trauerakademie von Fritz Roth zusammen, der bei Bergisch-Gladbach den ersten Privatfriedhof Deutschlands betreibt.

Von einem Boom kann angesichts der Zahlen allerdings keine Rede sein: Die TUI hatte für dieses Jahr 22 Reisen für maximal 18 Teilnehmer geplant; rund die Hälfte davon ist zustande gekommen. Im kommenden Jahr will der Veranstalter wieder um die 20 Reisen anbieten und dabei das Angebot in Deutschland ausbauen, so TUI-Sprecherin Susanne Stünckel über die ersten Erfahrungen. Das Bayerische Pilgerbüro hat vier Reisen mit bis zu 20 Teilnehmern organisiert. „Aus dem Stand heraus eine erfreuliche Entwicklung“, urteilt Geschäftsführer Bernhard Meyer, der überzeugt ist, dass die Reisen gut zum Auftrag des Bayerischen Pilgerbüros passen: „Es ist der Dienst am Menschen unterwegs.“

Die Entwicklung zeigt, dass Trauernde durchaus solche Angebote suchen. Eine Rolle spielt dabei die Reiseerfahrung: Senioren von heute haben sie ausreichend gesammelt und wollen auch nach einem Trauerfall nicht auf Urlaub verzichten. Auch Jüngere nehmen an den Reisen für Trauernde teil. „Wir haben es verlernt, mit der Trauer umzugehen. In unserer Spaßgesellschaft ist kein Platz dafür“, sagt Bernhard Meyer. Zudem fehlt die Großfamilie, die früher einiges aufgefangen hat. Und Martina Taruttis stellt außerdem fest: „Immer mehr Trauernde haben den Wunsch, etwas für sich zu tun, weil es ihnen ihre Seele wert ist.“

Beatrice Biesel ist diesen Weg gegangen und hat schon zweimal Reisen für Trauernde gebucht. „Zieht es dich nicht noch mehr runter, wenn nur Trauernde mitreisen?“, fragte ihre besorgte Verwandtschaft. Das Gegenteil war der Fall: „Es ist wohltuend, nichts erklären zu müssen, sich nicht zusammenreißen zu müssen. Wenn ich in Tränen ausbreche und zehn Minuten später wieder lache, wundert sich niemand“, sagt sie. In Situationen wie diesen hilft es, in verstehende Augen zu blicken. Und nicht hören zu müssen, dass alles doch so lange her sei und sie bestimmt noch mal einen Partner finden werde.

Die Trauerforscherin Ruthmarijke Smeding, die ein eigenes Trauermodell entwickelt und zahlreiche Begleiter ausgebildet hat, sieht in gemeinsamen Reisen auch eine Gelegenheit, aus der neue Freundschaften entstehen können. Sie warnt allerdings vor zu hohen Erwartungen: „Die Reise kann suggerieren: Danach ist es vorbei mit der Trauer. Dabei kann das Gegenteil passieren, und der Trauernde fällt in ein großes Loch, wenn er wieder nach Hause kommt. Das darf sein, aber man muss darauf vorbereitet sein!“ Außerdem kommt es darauf an, in welcher Phase der Trauernde gerade steckt. Und nicht jede Reise ist gleichermaßen geeignet.

„Ich rate jedem, sich genau über die Begleiter und das Programm zu informieren“, sagt Smeding. Sind Fachleute dabei, die helfen können, wenn die Trauer richtig aufbricht? Welche Ausbildung haben sie? Was tun sie mit mir unterwegs? Soll ich Rituale ausführen, bei denen ich mich beispielsweise von meinem Mann verabschiede, wenn ich überhaupt nicht so weit bin? Fragen wie diese sollten Trauernde unbedingt vorher stellen. „Sonst ist man womöglich gefangen in einer Reise“, sagt Smeding, „bei der man nicht zurückkann.“

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