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Feng ShuiDer Blick der Toilette

■ Gesunder Menschenverstand besser als China-Schnickschnack

Wolfgang Taubmann, Emeritus für Kulturgeographie an der Universität Bremen, gilt als einer der großen China-Experten in Deutschland. Den „Feng Shui“-Boom hält er für eine triviale Mode.

taz: Was ist „Feng Shui“?

Wolfgang Taubmann: Übersetzt heißt das „Wind und Wasser“. Es ist ein Ausdruck für das chinesische Raumverständnis. Siedlungen und Gebäude werden in Harmonie mit Elementen der Natur und dem Himmel ausgerichtet und ausgeformt.

Worin unterscheidet sich die chinesische von der europäischen Raumvorstellung?

„Feng Shui“ geht davon aus, dass die Natur belebt ist und sich über Wind, Wasser und andere Medien mitteilt. Der Einfluss von guten und schlechten „Geistern“ hängt danach vor allem von den Himmelsrichtungen ab. Aber auch Wasserläufe und Berge spielen eine Rolle.

Worauf müsste man bei einem Wohlfühl-Haus achten?

Die „Energieströme“ müssten in der richtigen Weise fließen. Das Haus müsste etwa in einem von Bergzügen geschützten Kessel liegen, der nur nach Süden offen ist, wo sich am besten noch ein Fluss schlängelt – Schlängeln ist ganz wichtig, damit die guten Einflüsse bleiben.

Findet das auch in Bremen Anwendung?

Mit Sicherheit nicht. Was sich außerhalb des ostasiatischen Kulturkreises als Mode durchsetzt, ist eine Trivialisierung der ursprünglichen Vorstellung. Man fragt weniger nach der Ausrichtung von Gebäuden, sondern nach der Einrichtung von Zimmern, nach der Anlage von Türen und Fenstern.

„Feng Shui“ im Hausgebrauch – wie sieht das aus?

Man sollte etwa Holz nicht als waagrechte Balken verwenden, da es als Baum in einer anderen Richtung wuchs: nämlich senkrecht. Oder Schlafzimmer nicht über leeren Räumen einrichten, weil deren „Energie-Vakuum“ die Bewohner beeinträchtigt. Eine Toilette sollte nicht auf den Haupteingang des Hauses blicken. Und so weiter. Viele dieser Vorschläge gehören natürlich in den Bereich des gesunden Menschenverstandes.

Ist das die Trivialisierung, die Sie meinen?

Ja. Man weiß gar nicht mehr, worum es einmal gegangen ist, welche Bedeutung die einzelnen Himmelsrichtungen gehabt haben. Stattdessen übernimmt man Rezepte, die in dieser „new age“-Welle angeboten werden, und glaubt, das bringe etwas für das persönliche Wohlbefinden. Es fehlt der gesamte historische und kulturelle Hintergrund.

Würden Sie Ihr Haus nach „Feng Shui“ bauen und einrichten?

Überhaupt nicht. Ich sehe das außerordentlich distanziert.

Fragen: hoi

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