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Feministische Bewegung in ArgentinienFeminismus macht keine Pause

Die feministische Bewegung in Argentinien schläft nicht. Ihre Kämpfe sind während der Pandemie nötiger denn je.

Proteste in Buenos Aires am 8. März 2021 Foto: Paula Acunzo/Zuma/imago

W enn etwas aus dieser Pandemie heraussticht, mit ihrer eigenen Zeitrechnung aus Impfabständen, Isolier- und Quarantänezeiten, dann ist es der Akt des Stillstehens. Zu Beginn dieser zwei Ausnahmejahre hatte die Welt scheinbar die Pausentaste gedrückt. Wer erinnert sich nicht an die dystopischen Bilder von verlassenen Straßen, entvölkerten Innenstädten und trostlosen Flughäfen?

Die Pandemie zog die globale Handbremse und leitete eine Art planetarischen Streik ein. Von der feministischen Bewegung in Argentinien aus gesehen, die in den Jahren zuvor Stillstand und Streik gezielt herbeigeführt hatte, bedeutete der globale Stillstand eine Umkehrung. Eine Gegenbewegung, vom Erscheinungsbild ähnlich und doch ganz anders als der Streik. Dieses Anhalten brachte eins der kapitalistischen Grundprinzipien ins Wanken: die Mobilität und mit ihr Kommunikation und Logistik.

Doch die Leere begann sich rasch zu füllen. Zu den Bildern der Pause gesellten sich bald jene von Notfällen aller Art: Wohnen, Einkommen, Sorgearbeit, Gesundheit. Die digitalen Kanäle nahmen derweil Fahrt auf: Die Straßen halbleer, die Bildschirme übervoll. Zerrbild der Verlangsamung war die Beschleunigung der Unsicherheit der Körper. Immer weiter verlängerten sich die Arbeitstage, um zusätzlich diejenigen zu betreuen und zu versorgen, die es nicht allein konnten, um hinter verschlossenen Türen Schulaufgaben zu erledigen und gleichzeitig Schlaflosigkeit und Angst in Schach zu halten, die sich in den Häusern ausbreiteten.

Die feministische Bewegung entwickelte Initiativen, Versuche, den ersten Monaten des Eingesperrtseins zu trotzen: Wir veranstalteten Lärmaktionen, virtuelle Versammlungen, Essensversorgungsketten, Kampagnen für das Teilen von Mitteln und Kontakten. Hin und wieder retteten wir auch Vertrautes in die neue Zeit: Nachbarschaftsküchen, aufsuchende Sozial- und Gesundheitsarbeit, gemeinsames Vorgehen gegen Männergewalt. „Das feministische Netz stützt uns“, lautete die Losung im Winter 2020, als wir eine Infrastruktur aufbauten für Notfälle, für die Unterstützung und Begleitung in den neuen Zeiten.

Das feministische Netz stützt uns, lautete die Losung im Winter.

Es begann auch eine Diskussion darüber, was notwendig ist. In Argentinien war das feministisch Notwendige im ersten Pandemiejahr sicher die Mobilisierung für eine Legalisierung der Abtreibung. Eine enorme Kraftanstrengung, die nach einem harten Jahr mit der Gesetzesänderung belohnt wurde.

Am 8. März 2021 gab es in verschiedenen Ländern Lateinamerikas Streiks, die auch Ausdruck der kollektiven Erschöpfung waren. Es gab wieder Aufmärsche, Versammlungen, Konzerte. Ein wiedergewonnener und neu gefüllter Tag, transfeministisch und transnational. Überall stand dabei im Vordergrund, was die Pandemie verstärkt sichtbar gemacht hatte: reproduktive Arbeit, Wohnbedingungen, häusliche Gewalt und Ausbeutung.

Was braucht es, kurz vor einem weiteren 8. Mai, um den Schwung im feministischen Kampf beizubehalten? Zuerst müssen wir verstehen, wie schwer das Aufhören ist: Aufhören zu arbeiten – wo wir immer mehr leisten müssen, um auf denselben Verdienst zu kommen. Aufhören, am Bildschirm zu kleben und mit anderen in Verbindung zu bleiben, wo sich das persönliche Treffen so schwierig gestaltet. In einem Arbeit-Leben-Kontinuum voller Mühen und Sorgen müssen wir dieses andere Innehalten wieder finden: Jene Pausen, die uns befreien und die es uns erlauben, auszuruhen und gemeinsam zu feiern.

Aus dem Spanischen: Nina Apin

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