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Fehmarnbelt-QuerungSchöner rechnen

Gutachter bezweifelt die Nutzen-Kosten-Rechnung des Bundes für den deutschen Anteil der Fehmarnbelt-Querung. Projektgegner sprechen von Milliardengrab.

Mit der Bahn eine Stunde schneller von Hamburg nach Kopenhagen - für ein paar Milliarden mehr? Bild: dpa

HAMBURG taz | Für Malte Siegert ist die Sache klar: "Hier wird schön gerechnet", sagt der Sprecher des Aktionsbündnisses gegen die Fehmarnbelt-Querung, "weil das nicht zu Rechtfertigende möglich gemacht werden muss." Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) lasse den Nutzen des Verkehrsprojektes zwischen Schleswig-Holstein und Dänemark zu hoch bewerten. Die von Ramsauers Ministerium im November vorgelegte Nutzen-Kosten-Bewertung enthalte handwerkliche Fehler.

Den volkswirtschaftlichen Nutzen der Querung bestreitet eine Expertise des renommierten Münchner Verkehrsplaners Karlheinz Rößler, das am Dienstag in Berlin vorgestellt wurde. Darin kommt der Gutachter zu einem Nutzen-Kosten-Verhältnis (NKV) von höchstens 0,66 - pro investiertem Euro läge der volkswirtschaftliche Ertrag somit bei nur 66 Cent. Siegert zieht daraus den Schluss: "Das Projekt ist ein Milliardengrab."

Das Bundesverkehrsministerium hatte den NKV hingegen mit 6,7 : 1 angegeben - das Zehnfache. Es müsse sich "um einen Rechenfehler handeln", vermutet Rößler, ein Komma an der falschen Stelle. Zudem sei ein unrealistisch hoher Wert für künftig einzusparende LKW-Kosten angegeben worden. Diese wiesen einen "um mehr als Faktor 17 überhöhten Wert" auf, hat Rößler nachgerechnet. Sein Umkehrschluss: Wäre diese Zahl korrekt, gäbe es in der Realität "vermutlich gar keinen Güterfernverkehr auf der Straße" wegen exorbitanter Transportkosten. Verkehrsstaatssekretär Enak Ferlemann (CDU) wies die Vorwürfe zurück. Die Zahlen seines Hauses seien gründlich und nachvollziehbar: "Der wirtschaftliche Nutzen ist völlig unstreitig." Von einer "Vergeudung von Geld und Ressourcen ohne erkennbaren Nutzen" spricht indes der grüne Verkehrspolitiker im Kieler Landtag. Andreas Tietze.

Ungeachtet dessen deutet sich im dänischen Parlament eine breite Mehrheit für das Projekt an. Die verkehrspolitischen Sprecher von fünf Fraktionen aus dem Regierungs- wie dem Oppositionslager signalisierten, im Verkehrsausschuss für den Bau eines Tunnels von 18,1 Kilometern Länge unter dem Fehmarnbelt stimmen zu wollen.

Der Baubeginn ist für 2014, die Fertigstellung für 2020 geplant. Der Tunnel soll zwei Röhren für eine vierspurige Autobahn und eine dritte für zwei Bahngleise enthalten. Er soll mit 5,1 Milliarden Euro etwas günstiger sein als eine Brücke mit 5,2 Milliarden Euro. In beiden Fällen wird ein Zuschuss der EU in Höhe von 0,6 bis 1,1 Milliarden erhofft. Die Restkosten - von 4 bis 4,6 Milliarden Euro - sollen durch Mauteinnahmen binnen 30 Jahren refinanziert werden. Nach Fertigstellung 2020 würde sich die Zugfahrt Hamburg-Kopenhagen um etwa 60 Minuten auf dreieinhalb Stunden verkürzen, Autofahrten noch stärker.

Für die deutsche Seite fallen ausschließlich Kosten für die Landanbindung in Schleswig-Holstein an. Die Verlängerung der Autobahn A 1 bis Puttgarden und der Ausbau der Bahnstrecke nördlich von Lübeck soll Bund und Bahn etwa 800 Millionen Euro kosten. Der Bundesrechnungshof geht vom doppelten Betrag aus, das Aktionsbündnis von bis zu 2,5 Milliarden Euro.

Das Projekt ist in der Region zwischen Lübeck und Fehmarn heftig umstritten. Vor allem die Ferienorte an der Lübecker Bucht befürchten Einbuße im Tourismus wegen zunehmenden Verkehrslärms. Auf dänischer Seite indes ist die Zustimmung nahezu einhellig. Der Bundestag und das dänische Parlament haben bisher nur der Planungsphase, noch nicht dem Bau zugestimmt.

"Wer den Bau durch frisierte Zahlen nachträglich zu legitimieren versucht, hat aus den Erfahrungen mit ,Stuttgart 21' nichts gelernt", kommentiert der schleswig-holsteinische Bundestagsabgeordnete Konstantin von Notz (Grüne). Ihm schwebt ein Mediationsverfahren vor mit allen Betroffenen, das "neutral moderiert und vor allem ergebnisoffen geführt werden" müsse.

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