Fehmarnbelt-Querung: Fähren wollen nicht aufgeben
Auch nach Bau eines Tunnels will die Reederei Scandlines auf der "Vogelfluglinie" den Dänemark-Fährverkehr weiterbetreiben. Die Wirtschaftlichkeit der geplanten Querung steht damit mehr denn je in Frage.
STOCKHOLM taz | Die Reederei Scandlines will auch nach Inbetriebnahme einer Fehmarnbelt-Querung ihren Fährverkehr auf der "Vogelfluglinie" fortsetzen. "Wir werden auf der Route Puttgarden-Rødbyhavn weiter verkehren", zitiert die dänischen Tageszeitung Jyllands-Posten Scandlines-Kommunikationschefin Susanne Brigitte Kock. Die Reederei sehe "keinen Grund, diesen Fährverkehr einzustellen, nur weil der Tunnel eröffnet wird", meint Kock. Die Begründung ist eine rein wirtschaftliche: "Wir verkehren dort mit Überschuss, und bis 2020 sind die meisten unserer Schiffe abgeschrieben." Auch ein wesentlich geringeres Verkehrsaufkommen verspreche damit Rentabilität.
Für Ajs Dam, Kommunikations-Direktor der Planungsgesellschaft Femern A / S, ist das keine gute Nachricht. Die Verkehrs- und Wirtschaftlichkeitsprognosen für den Tunnel gehen von einem ersatzlosen Wegfall des Fährbetriebs aus: "Das könnte zu einem Preiskrieg führen. Für die Kunden wäre das natürlich positiv - für unsere Rentabilität aber schlecht."
Die Baukosten von geschätzten 5,1 Milliarden Euro sollen durch vom dänischen Staat garantierte Darlehen finanziert werden. Diese sollen binnen 30 bis 35 Jahren über Benutzergebühren zurückgezahlt werden. Dieses Modell wurde 2002 gewählt, weil kein Privatinvestor bereit war, das Projektrisiko einzugehen.
Die Fahrt durch den etwa 18 Kilometer langen Tunnel unter dem Fehmarnbelt soll mautpflichtig sein. Die Kalkulation für 2020 lautet:
Tunnelmaut: PKW 54 Euro plus Inflationsausgleich - also eher 60 Euro
Fährtarife: PKW saisonabhängig 32,50 € bis 94 € - nach heutigen Preisen
Zum Vergleich die heutigen Preise der anderen großen dänischen Brücken:
Großer Belt: PKW 31 €
Öresund: PKW 40 €, Abonnementsrabatte für Pendler
Die Verkehrsprognosen gründen im Eröffnungsjahr 2020 auf 8.000 Fahrzeuge pro Tag, fünf Jahre später sollen es bereits 10.800 Fahrzeuge sein. Gegenwärtig benutzen im Jahresschnitt allerdings lediglich 5.500 Fahrzeuge pro Tag die Passage.
Femern A / S nennt das "konservative" Prognosen und verweist dabei auf Verkehrszuwächse bei der innerdänischen Querung des Großen Belt und der Öresundverbindung zwischen Dänemark und Schweden. Das sei nicht vergleichbar, meinen KritikerInnen: Dort gebe es auch das Bevölkerungs- und Wirtschaftspotenzial, um die erforderlichen Verkehrsströme zu generieren. Die Fehmarnbelt-Querung dagegen sei ein Tunnel "zwischen zwei Rapsfeldern". Für die großen Güterströme zwischen Nord- und Südeuropa sei diese Route zudem eher ein Umweg.
Für den Straßengüterverkehr werden die Ostseefähren eine Option bleiben, weil die 45-minütige Passage den Truckern die gesetzlich vorgeschriebenen Ruhezeiten verschafft. "Die Fährrouten zwischen Deutschland und Polen nach Schweden und zwischen Rostock und Gedser werden unsere künftigen Wettbewerber sein", sagt Jacob Vestergaard, Marketing-Chef bei Femern A / S. Zumal Scandlines für die Route zwischen Rostock und dem dänischen Gedser gerade zwei neue Fähren bauen lässt, die die Transportkapazität dort ab 2012 verdoppeln sollen. Zu all dieser Konkurrenz dann auch noch die Fährschiffe der "Vogelfluglinie"?
Ein Viertel der AutofahrerInnen dürfte bei solcher Konkurrenz die Fähren wählen, schätzt Malte Siegert vom Aktionsbündnis gegen die Fehmarnbeltquerung. Viele würden eine 18 Kilometer lange Fahrt durch die Röhre als stressig empfinden und lieber einen Kaffee und frische Luft an Deck der Fähre genießen.
Ganz zusammenbrechen würde die Tunnelkalkulation allerdings, wenn man in Stockholm auf die Idee käme, die restriktive Alkoholpolitik zu lockern. Fast ein Drittel des jetzigen Verkehrsaufkommens zwischen Puttgarden und Rødbyhavn dürfte reiner Alkoholtransport sein. Viele SchwedInnen queren den Fehmarnbelt nur, um sich auf deutscher Seite gleich am Fähranleger mit Bier und Hochprozentigem den Kofferraum voll zu packen und sich sofort wieder auf den Heimweg zu machen. Ein ökologischer, steuer- und alkoholpolitischer Widersinn, gegen den in Schweden immer mehr Kritik laut wird.
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