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Archiv-Artikel

Fehler. Fehler. Fehler

BUNDESTAG Verteidigungsminister zu Guttenberg verteidigt sich im Bundestag – und erntet die Häme der Opposition

„Würden Sie die Vorwürfe denn immer noch als ‚abstrus‘ bezeichnen?

JÜRGEN TRITTIN, GRÜNE

AUS BERLIN STEFAN REINECKE UND GORDON REPINSKI

Was für ein ungeschickter Satz. Die Opposition johlt, der Minister schließt kurz seine Augen. „Ich habe mich am Sonntag erstmals mit der Arbeit befasst“, hat Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg gerade vor dem Plenum gesagt, es ist der Satz, der im Bundestag für Momente die Lautstärke nach oben schnellen lässt. Der CSU-Minister versucht zu retten: „Nach den Vorwürfen“, sagt er. Es dauert, bis sich die Parlamentarier wieder beruhigt haben.

Mittwochnachmittag, Verteidigungsminister Guttenberg muss sich das erste Mal im Plenum wegen der Plagiatsvorwürfe im Zusammenhang mit seiner Doktorarbeit verteidigen. Nicht vor ausgewählten Pressevertretern wie am Freitag. Nicht vor Volker Bouffier und Roland Koch von der hessischen CDU wie am Montag beim Kommunalwahlkampf. Sondern vor dem von Guttenberg ungeliebten Parlament, in der Fragestunde des Deutschen Bundestags. Lange war offen, ob Guttenberg überhaupt erscheinen würde.

Der Grünen-Fraktionsvorsitzende Jürgen Trittin hakt nach: „Würden Sie die Vorwürfe immer noch als ‚abstrus‘ bezeichnen, wie in der vergangenen Woche?“ Guttenberg sagt, die Aussage gelte immer noch, er habe „nicht bewusst“ abgekupfert. Wer rede wie Trittin, müsse aufpassen, nicht „in üble Nachrede abzudriften“. Guttenberg versucht den Gegenschlag. Schließlich ist Angriff die beste Verteidigung.

Zur entscheidenden Frage entwickelt sich an diesem Mittwoch der Streit darüber, ob Guttenberg unabsichtlich oder eben mit Vorsatz abgekupfert hat. Die Frage ist von immenser Bedeutung. Denn wenn Guttenberg zugeben würde, dass er bewusst abgeschrieben hat, dann hätte er eine Straftat begangen. Kurioserweise wäre dies strafrechtlich noch gravierender, als wenn eine dritte Person die Arbeit geschrieben hätte. Also verteidigt sich der Verteidigungsminister in diesem Punkt vor dem Bundestag mit allem, was er hat.

Die Grünen-Abgeordnete Krista Sager versucht es noch einmal: „Sie können uns nicht erzählen, dass Sie nicht wussten, dass Sie in der Einleitung fremde Texte benutzen – wollen Sie uns für dumm verkaufen?“

Doch Guttenberg spricht von „unbewussten Fehlern“, zieht sich sinngemäß darauf zurück, dass nur er selbst wisse, ob etwas mit Vorsatz geschehen sei. Sager hakt noch einmal nach. Doch die Frage, ob es möglich ist, dass ein Minister die ersten Absätze einer Einleitung zur eigenen Arbeit unabsichtlich übernimmt, lässt Guttenberg unbeantwortet. Und dass diese Absätze aus einem Artikel der Frankfurter Allgemeinen Zeitung stammen, ist unbestritten.

Ständig wiederholt Guttenberg an diesem Tag seine „eigenen Fehler“, spricht auch in der folgenden Rede davon, dass „ein Mensch vor Ihnen steht mit Fehlern“. Fehler, Fehler, Fehler. Guttenberg sagt es immer wieder. Zwei Tage zuvor hat ihm diese Form des Eingeständnisses in Hessen Jubel und Beifall eingebracht. Also versucht er es so auch vor dem Bundestag.

„Sie opfern die Wahrheit für die Macht, aber damit werden Sie nicht durchkommen“

Es wird eine Form von Selbstkritik, die schwer von Selbstüberhöhung zu unterscheiden ist. „Ich war so hochmütig, zu glauben“, sagt der Minister, Familie, Wissenschaft und Politik gleichzeitig bewältigen zu können. Das sei leider misslungen, aber „kein Grund für Häme“.

Die Opposition will wissen, wie Guttenberg mit den Texten des Wissenschaftlichen Dienstes umgegangen ist. Denn dies berührt direkt Belange des Parlaments. Guttenberg gesteht „einen Formfehler“ zu, weil er es versäumte, eine Genehmigung einzuholen. Daraus, so der Minister munter, „können wir alle lernen“ – so wird aus seiner Fälschung der Dissertation ein lehrreiches Beispiel für den Bundestag. Auch dass an den Bundeswehrhochschulen grobe Verstöße gegen akademische Regeln hart bestraft werden, beeindruckt Guttenberg nicht. Dass er als Konsequenz aus seinen Fehlern freimütig auf den Doktortitel verzichtet habe, sei vielmehr „beispielgebend für andere“.

SPD-Fraktionsgeschäftsführer Thomas Oppermann wirft dem Minister in seiner Rede vor, mittlerweile habe sich die Anzahl der Dokumente des Wissenschaftlichen Dienstes, die er genutzt habe, von vier auf sechs erhöht. „Sie opfern die Wahrheit für die Macht“, sagt Oppermann, „aber damit werden Sie nicht durchkommen.“

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