■ (Fast schon) Nachschlag: Summer in the City: Manche werden geweckt, viele auch verrückt
Sommer schreibt man in Berlin gern mit Ausrufungszeichen. Je heißer, desto besser. Logisch. Auch wenn die Biker nerven, die gegenüber ihren Treffpunkt haben und die Menschen gern nachts mit triumphierend aufheulenden Motoren verschrecken. Auch ist es nicht schön, morgens um sechs von der Müllabfuhr geweckt zu werden, weil man die Fenster die ganze Nacht geöffnet hat. Je höher man wohnt, desto lauter ist es übrigens. Das hatte ich beim Umzug nicht bedacht.
Die Müllabfuhr kommt dreimal in der Woche, wegen Mülltrennung. Der Sommer macht lärmend auf sich aufmerksam. Soll er doch, und eigentlich ist der großstädtische Morgen sowieso am besten, denkt man trotzig, wenn man frühmorgens stolz zum Schreibtisch getrieben wurde und über den Sommer (pro und contra) nachdenkt. Die Hitze macht alles, was geschieht, zum Sommergeschehen. Die „Pornoqueen“ Sarah Young zum Beispiel, die neulich auf Pro 7 in Strickpullover und niedlichem Akzent die fünf Lieblingsstellungen der Deutschen kommentierte. Besonders gut gefiel ihr Nummer drei von hinten. „Das ist besonders praktisch, wenn dem Mann das Gesicht der Frau nicht so gut gefällt.“ Viele scheinen in der Hitze auch verrückt zu werden. Oder sich Arme und Beine beim Telefonieren, Handstandmachen oder Fahrradfahren zu brechen.
Abends fährt man mit dem Fahrrad durch die Stadt. Vorbei am „Zungenkuß“ am Alex, einer der widerwärtig obszönsten Anmachkneipen Berlins vor der widerwärtig obszöne Fettsackmänner abstoßende Bemerkungen machen. Sehr romantisch gibt sich dagegen die Mittwochsbar an der Spree im Monbijoupark. In der Mittwochsbar ist es freitags am schönsten. Am besten ist es eigentlich, vor der Mittwochsbar herumzustehen; Bier trinken in der Musik, die etwas unentschlosen zwischen Gabber und Abba herumschwankt. Besonders angenehm ist die Mittwochsbar auch, wenn sie geschlossen hat. Dann ist es sehr dunkel und nachdenklich und die Spree ganz schwarz, und man hört nur die Rufe derer, die nachts im Monbijou- Freibad baden. Am Ufer sitzt ein ungenau hingewischter Elendshippie. Der steht dann auf, stellt sich vor einen hin und fragt nach einer endlosen Pause mit babyhafter Stimme nach Zigaretten. Wir hatten keine mehr. Er murmelte, das hätt' er sich gleich gedacht, wir sähen ja auch nicht wie Raucher aus. Das war eine gemeine Sommerbeleidigung. Detlef Kuhlbrodt
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