■ Die Konservativen gewinnen die Wahlen in Rumänien: Fast ein Sieg der Demokratie
Sieben Jahre nach dem Ende der Diktatur herrscht auch in Rumänien demokratische Normalität. Zum ersten Mal kommt es zu einem Machtwechsel, weil die Bevölkerung so gewählt hat. Unter Nutzung des alten Apparats konnten die Wendekommunisten bis zu diesem Herbst ihren Führungsanspruch behaupten. Von großer Bedeutung wird allerdings auch der Ausgang der Präsidentenstichwahl sein, da der Präsident weitreichende Vollmachten besitzt und bei einer „Kohabitation“ durch die Wiederwahl Iliescus die künftige Regierungspolitik stark behindert werden könnte.
Die rumänischen Exkommunisten hatten nichts unversucht gelassen, um an der Macht zu bleiben. Die Propaganda des Bukarester Staatsfernsehens, Verleumdung und Behinderung der Opposition sowie Sozialdemagogie haben sich zuletzt gegen die Regierungspartei selbst gerichtet: Sie wird von großen Teilen der Bevölkerung mittlerweile für die beständige Wirtschaftskrise verantwortlich gemacht. Da half auch der populistische Name des Syndikats der Nomenklatura, Partei der sozialen Demokratie, nicht mehr. Ihre Niederlage fußte weniger auf gewandelten politischen Überzeugungen der Wähler als auf deren Erfahrung stetiger Verarmung. Dies wird die Situation für eine Regierung aus dem Oppositionslager nicht gerade einfach machen. Daß es eine Koalitionsregierung sein wird, ist dabei durchaus positiv. Denn das konservative Oppositionsbündnis Demokratische Konvention ist nicht nur ziemlich heterogen, es propagiert auch recht unausgereifte politische Ideen und ist keineswegs frei von Nationalismus. Die stärkste Partei des Bündnisses, die Nationale Bauernpartei, neigt zu reaktionären Standpunkten, wie sich beim Strafgesetz gegen Homosexuelle zeigte.
Gerade in solchen Fragen kann der wahrscheinliche Koalitionspartner, die westlich orientierte Sozialdemokratische Union des früheren Premierministers Roman, eine Abspaltung der Exkommunisten, die sich mit den Altsozialdemokraten zusammengetan hat, wichtige politische Korrekturen in der kommenden Regierungspolitik durchsetzen. Damit bleibt es dem erfolgreichen Verband der ungarischen Minderheit erspart, in einer nationalistisch geprägten Öffentlichkeit das Zünglein an Waage sein zu müssen.
Da die Bevölkerung eine dringende Verbesserung der ökonomischen Situation erwartet, kann eine Regierung, die gegen den Widerstand des alten Apparats handeln muß, bald unter öffentlichen Druck geraten. Allzu stabil dürfte die politische Lage in Rumänien in der nächsten Zeit nicht werden. Richard Wagner
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