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Archiv-Artikel

Fass ohne Boden

Auch nach den jüngsten Zuschüssen des Landes ist das Tempodrom nicht wirtschaftlich. Zu diesem Urteil kommt der Rechnungshof in einem vertraulichen Prüfbericht. Er empfiehlt eine Insolvenz

von SABINE AM ORDE und UWE RADA

Das Tempodrom bleibt ein Fass ohne Boden. Auch nach mehreren Zuschüssen aus dem Landeshaushalt und der Investitionsbank Berlin (IBB) sowie der Übernahme der Stiftung Neues Tempodrom durch das Land Berlin ist das Zirkuszelt mit dem Zackendach von einem wirtschaftlichen Betrieb weit entfernt. Zu diesem Ergebnis kommt ein vertraulicher Bericht des Rechnungshofs, der der taz vorliegt.

Der Hauptausschuss des Abgeordnetenhauses hatte den Bericht im Februar letzten Jahres in Auftrag gegeben, nachdem das Land Berlin dem Tempodrom bereits im Oktober 2001 mit 1,8 Millionen Euro unter die Arme greifen musste. Zu beneiden waren die Prüfer bei dieser Aufgabe allerdings nicht. Schließlich hat ihnen der Stiftungsrat weder einen Wirtschaftsplan für das Jahr 2002 noch eine mittelfristige Finanzplanung vorlegen können. Das betriebswirtschaftliche Konzept des Tempodroms sowie die künftigen Risiken für den Landeshaushalt, so der Rechnungshof, könnten deshalb nur „eingeschränkt bewertet werden“. Dennoch kommen die Prüfer zu dem Ergebnis, „dass die Liquidität der Stiftung ohne eine nachhaltige Verbesserung der Finanz- und Ertragslage nicht zu sichern ist“. Das bedeute, „dass die mit der Finanzierung des Neuen Tempodroms verbundenen Risiken für den Landeshaushalt unverändert fortbestehen“.

Dabei hat das Tempodrom den Landeshaushalt bereits von Anfang an arg strapaziert. Die Finanzierung des 22,7 Millionen Euro teuren Neubaus erfolgte größtenteils durch öffentliche Mittel sowie einen Kredit der Landesbank Berlin (LBB) in Höhe von 11,1 Millionen Euro. Für diesen Kredit bürgt das Land Berlin nun ebenso wie für einen weiteren Betriebsmittelkredit der LBB in Höhe von 1,7 Millionen Euro. Hinzu kommt noch ein Sponsoringvertrag, mit dem die IBB das Tempodrom in Höhe von 3,1 Millionen Euro unterstützt. Im Gegenzug erhält die IBB unter anderem fünf Freikarten pro Veranstaltung.

Das negative Urteil des Rechnungshofs ist für den Senat umso katastrophaler, als es nicht mehr alleine die Tempodrom-Gründerin Irene Moessinger trifft, sondern die rot-rote Koalition selbst. Nachdem Ende vergangenen Jahres zusätzlich zu den 1,8 Millionen Euro aus dem Jahr 2001 eine weitere Liquiditätshilfe von 1,5 Millionen Euro durch die IBB nötig war, übernahm der Senat die Geschäfte der Stiftung. Neben einem Treuhänder arbeiten im Stiftungsrat nun auch Vertreter des Kultur-, des Wirtschafts-, des Bau- und des Finanzsenators an der Sanierung des Aushängeschilds von Bausenator Peter Strieder (SPD).

Der neuerliche Zuschuss von 1,5 Millionen Euro war nötig geworden, nachdem sich im Betriebsjahr 2002 bis August ein Fehlbetrag von 877.000 Euro aufgetan hatte. Diese Lücke ist wie das gesamte Defizit des Tempodroms unter anderem darauf zurückzuführen, dass die Stiftung mit den Pächtern eine umsatzorientierte statt einer Fixpacht vereinbart hat. Die Defizite zahlen somit nicht die Pächter Einhorn (Catering), Toskana (Liquidrom) und die Tempodrom GmbH von Moessinger, sondern die Stiftung – und damit das Land Berlin.

Geprüft hat der Rechnungshof auch eine Berechnung der IBB/LBB über die Kosten einer möglichen Insolvenz der Stiftung. Dabei hat er festgestellt, dass die Erlöse durch einen Verkauf des Grundstücks voraussichtlich höher wären als die 2,6 Millionen Euro, die die IBB und die LBB veranschlagt haben. Der Grund: Im Grundbuch ist der Wert der Liegenschaft mit 12,8 Millionen Euro angegeben. Ein Erlös von nur 20 Prozent, so der Rechungshof, „erscheint auch unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Neuen Tempodroms sehr gering“.

Obwohl diese Variante eindeutig nicht im Auftrag steht, empfiehlt der Rechnungshof nun zu prüfen, „ob im Fall künftiger Liquiditätsprobleme der Stiftung eine Insolvenzlösung für das Land Berlin wirtschaftlicher ist als die Bereitstellung weiterer Mittel“. Eine Insolvenz wird inzwischen auch von den Abgeordneten im Hauptausschuss nicht mehr ausgeschlossen. Dort wurde der Bericht des Rechnungshofs am Mittwochabend erstmals diskutiert.