Fashion Week in Berlin: Patchwork Deutsche Mode
Die Deutsche Mode muss nicht international werden. Sie ist es schon, denn ihre Protagonisten kommen aus aller Herren Länder.
„Wie wird deutsche Mode international?“ Das war in der eben zu Ende gegangenen Berliner Fashion Week eine Frage, die auf allen Shows und Talkshows und Tagungen immer wieder zu hören war. Eine zeitgemässe Frage im hierzulande soeben angebrochenen Migrationszeitalter. Ihr stellt sich auch der eben gegründete Fashion Council Germany, eine Interessenvertretung von Modedesignern, die deutsches Design international machen will.
Aber was und wer ist überhaupt die deutsche Mode, die sich auf der Berliner Fashion Week alljährlich vorstellt? Irene Luft aus Kasachstan arbeitet in München, Vladimir Karaleev aus Bulgarien arbeitet seit seinem Studium in Berlin, Augustin Teboul ist ein deutsch-französisches Duo, das in Berlin ansässig ist, David Tomaszewski ist Pole und arbeitet in Berlin, William Fan kommt aus Hongkong und arbeitet in Berlin (er hatte auf dieser Fashion Week seinen ersten Auftritt). Das ist die deutsche Mode.
Jahr für Jahr prägen ihre Designer deutlicher ihren eigenen Stil aus und verfolgen konzentriert ihren Weg. Vergeßt deutsche Mode und schaut auf diese Designer und was sie tun!
William Fan gestaltet erkennbar chinesische Elemente: die graden Linien von Uniformen und geknotete Knöpfe verbinden sich in seiner diesjährigen Kollektion mit einer Orgie aus Quasten – die sich bewegen und klingen wie Glocken. Dazu Schmuck, massiv, als Schlangen, Stimmgabeln, goldene Wolken – eine phantastische Welt, die sich in goldene Metallkragen und Gürtel fortsetzt.
Türöffner in eine neue Modewelt
Seine Outfits sind Türöffner in eine neue Welt, die bestimmt keine deutsche ist, auch keine diffus internationale, sondern die Transformation einer chinesischen Welt. Aus goldenen und silbernen Schuckelementen, die man in der Hand trägt, wachsen neue organische Formen, Löffel, Tropfen über Hosen aus Isolierfolie. Fan mischt chinesische Elemente, auch Schürzen und asiatische Chalats mit modernen Formen.
Vladimir Karaleev geht in einer Welt hochwertiger und neuer Verarbeitungstechnologien seit Jahren den gegenläufigen Weg: am besten gar keine Verarbeitung! Daraus hat er ein Markenzeichen gemacht. Er setzt auf den diskreten Charme des Fetzens. Drapierungen auf eine eigene Art, in einer einzigen Geste hingeworfen, verschoben, versetzt, eingesetzt, abgeschnitten, ein Rap mit Stoffen, gegen die Regeln, versetzte, auf ganz eigne Art drapierte Bomberjacken, Ärmel mit verschiedenen Stoffen, Oberteile ohne Symmetrie, eigenartige Origami-Gebilde, die sich je nach Blickwinkel verändern.
Dawid Tomaszewski macht Kleider für die frierende polnische Dekadenz, für adlige Mädchen, die leichte, transparente Oberteile zu langen Röcken tragen und glänzende Hosen mit graphischem Print. Über die Schultern, in den Gürtel sind Tücher gesteckt, wie bei den Schotten, und darüber dicke Mäntel.
Die neue Karriere des Rollkragens
Einige in einer insgesamt luxuriösen und sehr femininen Kollektion tragen gestrickte Kragen statt Pelz und sehr europäische Rollkragen (aus den 70er Jahren kommend scheint er bei vielen Kollektionen eine neue Karriere zu haben): gestrickt, wärmend und abnehmbar.
Irene Luft steht für klassische Schönheit in der modernen Welt. Wie aus dem goldnen Fabergé-Ei springen ihre Outfits: Röcke aus golden glänzenden Stoffen, Frauen, gehüllt in Brokat und Spitze. Diesmal waren sie in feines Gaze und Spitze getaucht, die farblichen Akzente auf Gold und Silber und Rot, eine asiatisch wirkende Kombination.
Luft verbindet osteuropäische, zentralasiatische und europäische Welt. Seit Jahren arbeitet sie mit der Plauener Spitze Manufaktur zusammen. Bei der Fashion Week war sie vor Jahren durch ihre politischen Botschaften bekannt geworden: mit Spitzen bezogenen Gasmasken.
Die Szene-Königin Esther Perbandt
Das Duo Augustin Teboul verbindet Punkrock mit schreiendem Pariser Glamour. Netzartige, gehäkelte Elemente aus bunter Mohair-Wolle mit Glasperlen Stickerei. Patchworkartige Elemente und glitzerndes Garn bei den gestrickten Sachen wechseln mit Moulin Rouge-Rüschen und punkigen Netz-Strumpfhosen, unter denen man farbige Socken trägt.
Über allem aber thront die Königin der Berliner Szene: Esther Perbandt. Ihre alterslosen Vampire sind Verwandte der russischen notchnoj dozor, Wächter der Nacht oder Security der Berliner Unterwelt.
Und wer sich jetzt mit deutscher Mode langweilen will, dem empfehlen wir eine Eintrittskarte nach Bayreuth.
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