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Faschistische Symbole in Spanien„Keine Konsequenzen“

Das Zeigen von Faschismus-Symbolen ist in Spanien nicht verboten, sagt der Staatsanwalt Miguel Ángel Aguilar. Nur in den Fußballstadien, dafür gibt es ein Gesetz.

Hitler-Gruß während eines Aufmarsches in der Madrider Innenstadt. Bild: imago/GranAngular
Interview von Ralf Hutter

taz: Herr Aguilar, wie sieht in Spanien die Rechtsprechung zur Verfolgung von Hass-Ideologien aus?

Miguel Ángel Aguilar: Unsere Gesetzgebung erlaubt die Verfolgung vom Ideologien nicht. Ich glaube auch nicht, dass die deutsche oder die einer anderen europäischen Demokratie das erlaubt. Verfolgt werden Handlungen, die das Zusammenleben stören und Anstachelungen zu Gewalt darstellen.

Sie haben kritisiert, dass Spanien zu den wenigen Staaten gehörte, die keine Statistiken zu Hassverbrechen führten. Gibt es die jetzt?

Nein, aber es gibt schon die Datenbanken dafür. Das ist ein sehr wichtiger Schritt. Viele internationale Stellen wie die EU-Grundrechteagentur, die OSZE und der Europarat haben den Mangel an Statistiken beklagt. Die Statistiken sind wichtig, weil mit ihrer Kenntnis eine gute Kriminalpolitik möglich ist. In Katalonien begannen wir als Erste, Statistiken mit der Polizei zu machen. Im restlichen Spanien wurden Anfang 2012 die IT-Systeme der Kriminalitätsstatistik reformiert, so dass jetzt das Register und die Klassifizierungen der Diskriminierungen klar sind. Jetzt müssen Daten ins System eingegeben werden. Im IT-System der Justiz fehlen diese nötigen Veränderungen noch.

Zurzeit wird darüber diskutiert, die rechtsradikale Partei Alianza Nacional zu verbieten. Sind Sie dafür?

Vor Kurzem hatten wir ein Urteil in Barcelona gegen drei Personen, die zu einer Organisation aus ihrem Umfeld gehörten. Sie wurden zu Haftstrafen verurteilt. Wir haben nicht viel Erfahrung mit der Partei. Es muss nun geklärt werden, ob die Mitglieder wiederholt schwerwiegende rassistische und fremdenfeindliche Handlungen begehen. Die Staatsanwaltschaft am Obersten Gerichtshof ermittelt in dieser Angelegenheit. Der Anführer der Partei hat schon im September im Fernsehen zur erstarkenden Unabhängigkeitsbewegung in Katalonien gesagt, dass kein Teil Spaniens sich selbstständig machen könne, ohne dass Blut fließt. Aus diesem Grund führen wir eine Untersuchung wegen des Aufrufs zu Gewalt und Hass.

Im Interview: Miguel Ángel Aguilar

ist in der Provinz Barcelona seit 2009 Staatsanwalt für Diskriminierungsverbrechen. Bis vor Kurzem war er der einzige dieser Art im ganzen Land.

Gibt es Regelungen zu Symbolen des Franquismus?

Das Zeigen von Symbolen irgendeines Faschismus – und der Franquismus war ein Faschismus – ist in Spanien nicht verboten. Da können wir Strafrechtler nichts tun. Nur wenn das Zeigen von Symbolen einen Aufruf zu Hass, Gewalt und Diskriminierung beinhaltet, ist es ein Delikt. In den Fußballstadien sind sie verboten, weil es dafür ein Gesetz gibt. Allerdings gibt es da keine strafrechtlichen Konsequenzen, sondern nur Geldstrafen und Hausverbote.

Was ist mir der „blauen Division“, die mit der deutschen Wehrmacht kämpfte, mit all den Straßen, die noch nach Franco-Funktionären benannt sind?

Auch das fällt nicht unters Strafrecht. Es gibt ein Gesetz, wonach diese Symbole Schritt für Schritt entfernt werden müssen. Das wird nicht überall umgesetzt. Aber es gibt keine strafrechtliche Regelung dafür.

Kann ich also nicht einmal Anzeige erstatten?

Doch, aber nur bei der Polizei. Das fällt unters Ordnungsrecht.

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