: Farbe im Bauchtanzunterricht
„Verdammt in alle Eitelkeit“ von Lothar Lambert im Panorama
Seit fast dreißig Jahren macht Lothar Lambert seine kleinen Independentfilme, die immer ein mal mehr ins Tragische, mal mehr ins Komische spielendes Plädoyer für sexuelle Emanzipation sind.
Gerade in der zombieesken Simulation der diesjährigen Filmfestspiele auf dem Daimler-Benz-Privatgelände genießt man seine schlagerhaften Geschichten und freut sich, die zwischen romantisch und zickig um Liebe und Sex kämpfenden, anrührend einfachen/komplizierten Protagonisten der Lambert-Familie wieder zu sehen. Es ist ja nicht so, dass die Menschen in den letzten dreißig Jahren nun freier geworden wären oder irgendwie besser mit ihrem Begehren umgehen könnten – auch wenn die normale, also irgendwie so schmerz- wie glücklich misslingende Sexualität, nicht mehr so häufig thematisiert wird.
So richtig normal sind Lamberts Helden natürlich auch nicht. Es sind – und das macht ihren Charme aus – liebenswerte Amateure (also echte Menschen) im Niemandsland; Selbstdarsteller, die umso überzeugender und glaubhafter sind, als sie ihre Rolle nie ganz ausfüllen können.
Die Geschichte von „Verdammt in alle Eitelkeit“ ist gewohnt simpel: Sylvia Heidemann (Eva Ebner), eine Jüdin, die in Theresienstadt Theater gespielt hatte, hat all ihr Wiedergutmachungsgeld gespart, um einmal in einem Film eine Hauptrolle zu bekommen. Zufällig lebt sie im gleichen Hotel wie der windige Wiener Filmemacher Carl Andersch (gespielt vom windigen Undergroundregisseur Carl Andersen), der nach Berlin gekommen ist, um hiesige Originale zu sichten. Ein gemütlicher Portier weist ihm den Weg in Juwelias (Stefan Stricker) Wohnzimmerbühne „La Belle Etage“.
Auf der sexuell desorientierten bis unentschiedenen Kleinkunstbühne präsentieren sich begeisterte Amateure. Außerdem geht es noch um einige Hausbewohner: den eitlen SPD-Kandidaten Herrn Mohammed (Baduri), dessen Frau (Nilgün Taifun), die gern ein Kind von ihm hätte, und die Nachbarin Elvira (Eika Rahbau), die in der Telefonsexbranche arbeitet. „Verdammt in alle Eitelkeit“ beeindruckt vor allem durch wunderschöne Einzelszenen. Der Fernseher ist kaputt; ein schöner Elektriker kommt vorbei und singt ein Lied, in dem es um Zypressen, Pinien und Kakteen geht. „Keine Normen“ reimen sich auf „keine Dornen“, und der junge Mann sollte seine Talente vielleich auch in der Kleinkunstbühne zur Schau stellen. Frau Mohammed beschimpft ihren sexdesinteressierten Mann: „Dann heirate doch deinen Walter Momper!“ Allein sitzt die vielleicht 75-jährige Elvira zu Hause, haut auf den Tisch und plärrt herzergreifend in einsamen Nächten: „Ruf mich jetzt an!“ – Niemand ruft an.
Lothar Lamberts Filme sind bunt. Die Farben passen so gut zusammen, dass man leicht vergisst, besonders schöne Farbzusammenstellungen zu loben. Etwa wenn in einer Szene die vielleicht 70-jährige, schön gebräunte Berlinale-Fotografin Erika Rahbau bei der eher weißhäutigen, vielleicht 30 Jahre jüngeren Nilgün Taifun Bauchtanzunterricht nimmt. Lambert ist ein großer Nacktfilmer. Peinlich ist das nie, auch wenn die ebenfalls schon etwas ältere Eva Ebner halb nackt als Malermodell auf einem Hausdach posiert und Monikamäßiges in Aussicht stellt, vielleicht später. Zuvor lernt sie noch, wie man kokst. (Es ist schön und verdienstvoll, wenn Menschen im Alter anfangen zu koksen!) Endlich sieht man auch mal wieder die Mauer in einem Berlinfilm; endlich sieht man auch mal wieder eine ausgefallene Onaniertechnik (mit Staubsauger); und endlich traut sich mal jemand, in einem Spielfilm SPD-Plakate zu zerreißen. Detlef Kuhlbrodt„Verdammt in alle Eitelkeit“. Regie: Lothar Lambert. Mit Eva Ebner, Carl Andersen, Stefan Stricker u.a., Deutschland, 80 Min., 18. 2., 22.30 Cinemaxx 7; 19. 2., 15.30 Uhr, und 20. 2., 20.15 Uhr, Cinestar3
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