: Farb-TV vonnöten
■ „Tanz in den Wolken“, ARD, 23 Uhr
Depressionszeit in den dreißiger Jahren zwischen Illinois und Indiana: eine wahre Tockenzeit. Die Landschaft ist so flachbrüstig und puritanisch, wie es die Dorfpomeranzen sind. In der Armut, die auch eine geistige ist, gehen die Träume verloren an die eiserne Disziplin der Pilgrimväter. Sie sind keine Pioniere mehr, sondern moralische Institution. Sie diktieren das Ende des amerikanischen Traums, gegen ihre Rezession des Geistes lehnt sich Hollywood auf.
Herbert Ross hat 1981 die historische Gegnerschaft zwischen Puritanern und Hollywood als Musical inszeniert und sich felsenfest vorgenommen, alle Fred Astairs und Ginger Rogers auf seine Art als die wahren Helden ihrer Zeit zu feiern. „Tanz in den Wolken“, Pennies in Heaven, zeigt nun alles und alles auf eimal, was es in dem Genre damals gab und warum es funktionierte. Alles wirkt sehr feinsinnig motiviert: in der Psychologie, den Farben, den Filmtricks. Betrunken wird, wer ein großes Farb-TV sein eigen nennt.
Steve Martin schlägt sich als Schlagernoten-Vertreter durch die Landschaft, eine Pomeranze des Puritanismus im Nacken, seine Frau, und eine Dropout, eine ehemalige Volksschullehrerin, die er verführte. Zwischen beiden steckt er in einem moralisch so engen Korsett, daß er nur überzeugt sein kann, wenigstens die Schlagerträume seien verwirklichbar. Und jeder wolle sie kaufen, aber keiner hat Geld. Kein Geld zum Träumen, das ist für Herbert Ross die wahre Depression, der dramaturgisch fulminant gesetzte Tiefpunkt, von dem aus alle Wege nur noch ins Unglück und zugleich in die Hollywoddfabrik führen. Die Szene in der Realität wird angehalten, ein Funke fährt Steve Martin durch die Augen und die selbe Szene beginnt noch einmal: als Inszenierung des amerikanischen, eher göttlichen Traums fernab der kapitalistischen Gnade, an die der Midwest zu jener Zeit mit Gewißheit kaum glauben konnte. Die Stimme des dicken Bankiers tönt im Mezzosopran, je heller die Glöcklein klingen, und zugleich bleibt doch der stets geschaute Blick in die durch Moral und Armut zermürbte Welt, die schließlich jene „amerikanische Spielart des Faschismus“ (Leon Katz) gebar, die zur endgültigen Diktatur der Hochfinanz wurde und Glückseligkeit versprach, wer ihr gehorsam folgt. Steve Martin alias Arthur ist aus dieser moralisch legitimierten Diktatur ausgebrochen. Er wurde erhängt, denn er ist nicht Hollywood.
Arnd Wesemann
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen