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Fanprojekten droht KürzungDFB gegen Sozialarbeit

Erst plant der Fußballverband Fanprojekten Gelder zu kürzen, dann vertagt er dies – zunächst. Doch die Gewaltprävention im Fußball ist gefährdet.

„Reformen waren euer Versprechen“: Union-Anhänger kritisieren DFB wegen Fanprojekt-Plänen Foto: dpa

Vor der Präsidiumssitzung des Deutschen Fußball-Bundes am Freitag, den 11. September, war es noch geheim. Nur die Betroffenen wussten davon und erwarteten sich nichts Gutes von diesem Tag. Der DFB war kurz davor, einen Tabubruch zu beschließen.

Obwohl der Verband in der Vergangenheit die Arbeit der Fanprojekte seit den 80er Jahren vielfach als Erfolgsgeschichte der Gewaltprävention gepriesen hat, sollte erstmals der Finanzierungsanteil des DFB daran verringert werden. Und dies zudem in erheblichem Maße. Die Ausgaben im Jahr 2020, die nach taz-Recherchen 3,5 Millionen Euro betragen, sollten künftig auf 3 Millionen Euro gedeckelt werden.

Außerdem wollte sich der größte Sportverband der Welt aus der Förderung unterhalb der dritten Liga ab 2024 komplett zurückziehen. Mehrere Fanprojekte hätten so um ihre Existenz fürchten müssen, zumal manche Kommunen und Landesregierungen dieses Signal womöglich genutzt hätten, auch ihre Finanzierungsanteile zu verkleinern und ihre angeschlagenen Haushalte zu entlasten.

Doch kurz nach Mitternacht, als der 11. September gerade sieben Minuten alt war, veröffentlichte der Spiegel auf seiner Homepage die DFB-Streichpläne. Die Reaktionen aus der Politik kamen prompt am Morgen. Mecklenburg-Vorpommerns Sozial- und Sportministerin Stefanie Drese monierte im NDR: „Wir brauchen mehr Jugend- und Sozialarbeit durch die Fanprojekte, nicht weniger.“ In der DFB-Zentrale dürften an diesem Morgen einige Anfragen eingegangen sein. Zudem soll die Deutsche Fußball-Liga (DFL), wie der Spiegel berichtete und wie auch Recherchen der taz ergaben, wenig begeistert von den DFB-Plänen gewesen sein.

Verdeckter Hinweis auf Sparpläne

All das zusammengenommen führte offenbar zu einer kurzfristigen Planänderung beim DFB. Am Abend des 11. September überschrieb der Verband seine Pressemitteilung: „DFB beschließt Fördergarantie und Reformprozess.“ Bis zum Juni 2022, heißt es da, werde der Verband die 61 Fanprojekte in Deutschland in gleichem Maße unterstützen wie bisher.

Gekürzt wird also in zwei Jahren? Der DFB antwortete auf eine Anfrage der taz: „Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass wir hier den Gesprächen mit den Netzwerkpartner*innen nicht vorgreifen können.“ Unbeantwortet aber ließ die Presseabteilung die Frage, welchen gedanklichen Hintergrund die Bemerkung von DFB-Generalsekretär Friedrich Curtius hat, es brauche Reformen, weil sich die Fanprojektlandschaft stark verändert habe.

Wirkt das nicht doch wie ein verdeckter Hinweis, dass man beim DFB an den Sparplänen festhalten möchte? Möglicherweise stört sich der DFB daran, dass in der jüngsten Vergangenheit auch kleinere Standorte wie das mecklenburgische Neustrelitz ein Fanprojekt bewilligt bekamen.

Einer zu großen Ausdifferenzierung der Fanprojektszene könnte der DFB künftig aber auch mit der Setzung einer Obergrenze begegnen, anstatt soziale Arbeit an prekären Standorten mit einer veritablen rechtsextremen Fanszene wie bei den Regionalligisten Chemnitzer FC, Energie Cottbus oder Alemannia Aachen zu gefährden.

Zu bedenken ist auch, dass in einer zunehmend politisch polarisierten Gesellschaft der Abbau von sozialer Arbeit destabilisierend wirkt.

Lob und Geldentzug

Ralf Busch, Leiter des Fanprojekts in Berlin, ist ein Mann der höflichen Worte. „Wir waren überrascht, dass unsere Arbeit vom DFB in Frage gestellt wird“, sagt er. „Grundsätzlich wurde in der Vergangenheit die Bedeutung unserer Arbeit vom Verband gewürdigt. Es gab einige Fanprojekte, die in den letzten Jahren etwa für ihr Engagement gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit mit dem Julius-Hirsch-Preis vom DFB ausgezeichnet worden sind. All das passte mit den Kürzungsplanungen nicht zusammen.“

Erstaunlich an der Spardebatte ist, dass sie nach Informationen der taz bereits vor Beginn der Coronapandemie, die auch dem DFB erhebliche finanzielle Einbußen einbrachte, geführt wurde. Dabei wird der neue DFB-Präsident Fritz Keller seit seinem Amtsantritt im vergangenen Jahr nicht müde, die große gesellschaftliche Verantwortung zu beschwören, die der DFB habe.

Als in den 80er Jahren Gewaltexzesse in deutschen Fußballstadien keine Seltenheit waren, bedurfte es noch des Drucks der Politik, um den DFB von Fanprojektarbeit und vor allem von deren Finanzierung zu überzeugen. Doch schon der damalige DFB-Präsident Theo Zwanziger wurde zum Werbebotschafter dieser Arbeit. Im Sportausschuss des Bundestages sagte Zwanziger einst: „Wenn es die Fanprojekte nicht schon gebe, so müssten sie erfunden werden.“ Auch der in sozialen Belangen deutlich weniger aktive DFB-Chef Reinhard Grindel hob zum 25-jährigen Jubiläum der Koordinationsstelle Fanprojekte (Kos) das herausragende Engagement an den vielen Standorten in Deutschland gegen Rassismus, Diskriminierung und Menschenfeindlichkeit hervor. „Dass hier ein Rückgang in den Stadien zu verzeichnen ist“, lobte Grindel, „ist auch der Arbeit der Kos und der Fanprojekte zu verdanken.“

DFB-Präsident Fritz Keller hat sich zuletzt ein Bekenntnis zu den Fanprojekten verkniffen

DFB-Präsident Fritz Keller hat sich in den vergangenen Wochen ein ähnliches Bekenntnis wohl bewusst verkniffen. In der Debatte um mögliche Kürzungen überließ er das Wort seinem Generalsekretär Curtius – und der erweckte unkonkret den Eindruck, am derzeitigen System funktioniere irgendetwas nicht, weshalb der DFB reformieren wolle.

Es solle nun mit DFB-Vertretern eine Arbeitsgemeinschaft gegründet werden, um in den nächsten anderthalb Jahren über die Finanzierungsfrage zu sprechen, sagt Fanprojektleiter Busch.

Unversehens sind er und seine Mitstreiter in eine Rechtfertigungsfalle geraten. Dabei gibt es Evaluationen von Projektarbeit durch eine unabhängige Institution schon lange. Alle Fanprojekte haben dort ein Qualitätssiegel erhalten. Bei der Vergabe waren im Übrigen Vertreter des DFB und der DFL beteiligt.

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