Störzeile: Faltenzählen
■ Ab wann eigentlich soll man gegen das Älterwerden anklopfen?
Es ist ja nicht so, daß das Älterwerden keine Vorteile hätte. Die Lebenserfahrung bietet üppigen Erzählstoff, und von pubertierenden Aufreißern gesiezt zu werden, kann durchaus Spaß machen. Nur das mit dem Doppelkinn und den Falten ist nicht schön. Plötzlich wuchert der Körper an Stellen, von deren Existenz man bisher kaum etwas wußte – an den Oberschenkelaußenseiten und an dem Weichteil, das unter dem Unterkiefer hängt. Und das, was man selbst bisher als Ausdruck einer humorvollen Persönlichkeit sah, signalisiert anderen: „Die hat Falten, die wird alt.“
Doch älter ist noch lange nicht alt und zudem subjektiv. „Man ist so jung, wie man sich fühlt“, wußte schon Freddy Quinn zu berichten, und das zu einem Zeitpunkt, als er der Doppelkinn-Generation bereits angehört haben müßte. Doch wie soll frau sich fühlen, die sich in der Blüte ihrer Jugend wähnt und von Mutter zum 26ten Geburtstag mit einer Augencreme bedacht wird? Über den Schock, sich ab sofort allabendlich die Augenränder mit dieser fetthaltigen Substanz beklopfen zu müssen – „bloß nicht reiben, das gibt Falten“– helfen auch Hinweise wie: „Alle jungen Mädchen benutzen so was“kaum hinweg. Ab wann soll man gegen das Älterwerden anklopfen?
Der Verfallsprozeß fängt schließlich schon im Babyalter an. Und spätestens mit zwölf Jahren, so will es die Kosmetikindustrie, muß sich diesem Fatum gestellt werden. Plötzlich darf man sich nicht mehr unbekümmert zu seinen Gesichtsrötungen bekennen, sondern soll diese gefälligst mit Clearasil bekämpfen. Und ist dieser Kampf bestanden, soll dieselbe Haut, eben noch zu fettig und deshalb pickelig, über Nacht plötzlich zu trocken und deshalb runzlig werden.
Die einzige ästhetisch annehmbare Hautbeschaffenheit ist die des berüchtigten Baby-Popos, und selbst der verliert seine zarte Glätte bekanntlich nach wenigen Monaten. Die Schönheit hat man also schon in einem Alter eingebüßt, in dem einem noch nicht einmal der Begriff geläufig ist. Und so besehen kann man sich das lebenslange Schmieren dann wirklich gleich sparen.
Roberta Behn
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