Falsche Gentech-Felder: Schlamperei statt Transparenz
Landwirte ärgern sich über falsche Standort-Registrierungen für die genveränderte Maissorte MON 810. Behörden kontrollieren kaum und reagieren erst spät
BERLIN taz | Eine Greenpeace-Untersuchung schreckt das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) auf: Greenpeace fand zum wiederholten Mal Fehler im Standortregister für gentechnisch veränderte Organismen. Kein Wunder, denn das BVL überprüft Neuanträge grundsätzlich nicht.
Genmais auf benachbarten Flurstücken sollte leicht identifizierbar sein, findet Hans Plate. "Es drohen immerhin ungewollte Kreuzungen mit gentechnisch verändertem Mais", sagt der fränkische Biobauer. Eine öffentliche Datenbank, wie sie das BVL für diesen Zweck führt, hält er daher für "sehr hilfreich".
Doch das BVL-Standortregister für genmanipulierte Organismen sorgt nur bedingt für Transparenz: Bereits das zweite Jahr in Folge entdeckte Greenpeace, dass für eingetragene Felder aus Bayern und Brandenburg entweder eine völlig falsche Größe angegeben wurde - oder dass diese gar nicht existierten.
Mittlerweile hat das BVL Nachbesserungen von den Landwirten eingefordert, bis zum Wochenende gab es Korrekturen für fünf Flächen im fränkischen Prichsenstadt.
Doch es handelt sich offenbar um einen Fehler im System: Die Behörde überprüfe neue Anträge grundsätzlich nicht auf ihre Richtigkeit, erklärte eine BVL-Sprecherin der taz. Als Reaktion auf frühere Unstimmigkeiten seien die veröffentlichten Standortdaten in diesem Jahr aber "unverzüglich" an die zuständigen Landesbehörden zu einer Überprüfung weitergeleitet worden.
Für die falsch angemeldeten Felder in Prichsenstadt ist beispielsweise das bayerische Umweltministerium zuständig. Dort bestätigte man zwar, vom BLV informiert worden zu sein. Dass man grundsätzlich informiert werde und die Angaben umgehend kontrolliere, konnte das Ministerium jedoch bis Freitagabend nicht bestätigen.
Heike Moldenhauer vom BUND fordert klarere Richtlinien: "Man sollte alle Anträge auf Plausibilität prüfen, mindestens aber mit Stichproben arbeiten." Die Behörden dürften sich nicht nur auf Greenpeace-Untersuchungen verlassen und müssten Genbauern stärker in die Verantwortung nehmen: "Verstöße sollten sanktioniert werden." Auch Bioland - größter deutsche Bioanbauverband - kritisiert den laxen Umgang: "Unsere Bauern müssen sich hundertprozentig auf das Standortregister verlassen können", sagt Sprecher Gerald Wehde. Gentechnikfreie Betriebe müssten die Chance zum Reagieren haben, etwa mit dem Aussähen anderer Getreidearten oder dem Pochen auf den gesetzlichen Mindestabstand. Wehde: "Ohne ein fehlerfreies Standortregister ist das nicht gegeben."
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ungelöstes Problem der Erneuerbaren
Ein November voller Dunkelflauten
Autobranche in der Krise
Kaum einer will die E-Autos
Abschiebung von Pflegekräften
Grenzenlose Dummheit
Trumps Personalentscheidungen
Kabinett ohne Erwachsene
Bürgergeld-Empfänger:innen erzählen
„Die Selbstzweifel sind gewachsen“
113 Erstunterzeichnende
Abgeordnete reichen AfD-Verbotsantrag im Bundestag ein