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Fahrräder für die UkraineZwei Räder, damit es rollt

Die Initiative bikes4ukraine bringt ausrangierte Fahrräder in die Ukraine. Dort werden sie dringend gebraucht – vielerorts fährt nicht mal mehr ein Bus.

Straßenszene mit Fahrrädern: Balaklija bei Charkiw am 14. September 2022 Foto: Oleksandr Khomenko/NurPhoto/imago

Kiew taz | Es war kurz nach dem Überfall Russlands auf die Ukraine: Den dänischen Städteplaner Mikael Coleville-Andersen erreichte Anfang April 2022 in seiner Heimatstadt Kopenhagen eine E-Mail von einem ukrainischen Städteplaner aus Lwiw. Innerhalb kürzester Zeit, so berichtete dieser Colville-Andersen, sei die Bevölkerung des Ortes wegen des Zustroms von Binnenflüchtlingen um 28 Prozent angewachsen. Und das sei eine Herausforderung für das Straßennetz der Stadt und den öffentlichen Nahverkehr. Jetzt brauche man dringend Fahrräder in Lwiw.

Mit diesem Wunsch rannte er bei Colville-Andersen offene Türen ein: Colville-Andersen hat sich weltweit einen Ruf als Städteplaner mit einem Faible für FahrradfahrerInnen geschaffen. In Kalifornien, Mexiko, Frankreich und anderen Ländern hatte er bei seinen Planungen immer Wert auf ausreichende Fahrradwege gelegt. Auch in der Ukraine berät er Stadtverwaltungen. Deshalb hat er, nach dem Hilferuf aus Lwiw, die NGO „bikes4ukraine“ gegründet.

Nun, rund ein Jahr später, berichtet er gegenüber der taz von 950 Fahrrädern, die die Organisation seit April 2022 an die Ukraine geliefert hat. Als Geschenk für Menschen, die in Gebieten arbeiten, in denen russische Raketen und Artillerie die Infrastruktur weitgehend zerstört haben und in denen oft nicht mal mehr Busse fahren. „Jedes Jahr“, so Coleville-Andersen zur taz, „werden in Dänemark 400.000 Fahrräder entsorgt. Und gleichzeitig werden in der Ukraine dringend Fahrräder gebraucht.“

Mittlerweile sammelt die Initiative europaweit gebrauchte Fahrräder für die Ukraine. Die Fahrräder erhalten sie geschenkt, für den Transport müssen sie bezahlen. „Ein Transport von Fahrrädern von Dänemark nach Kyjiw kostet uns 5.000 Euro“, erzählt der Städteplaner bei seinem Besuch in der ukrainischen Hauptstadt. „Und dann kommen noch Transportkosten von Kyjiw in andere Städte der Ukraine hinzu“, so Colville-Andersen.

In Charkiw im Osten der Ukraine steht Alexander Chomenko an der Theke seines Fahrradladens auf dem Helden-von-Charkiw-Prospekt Nummer 200. Er hat Glück, der Fahrradhandel ist auch im Krieg nicht eingebrochen. Es geht lebendig zu in seinem Laden: Ein junger Mann mit Fahrradhelm und gelber, fluoriszierender Jacke betritt das Geschäft, kauft sich ein Rücklicht, wechselt ein paar Worte mit Chomenko und verlässt den Laden wieder. Dann führt Chomenko seinen Besucher an eine Wand mit vielen Medaillen. Sie erinnern an vergangene Zeiten, die so wohl nie wiederkehren werden – wie eine Radtour im Fernen Osten Russlands am Amur.

Wieder klingelt die Tür und Anna Daschkina betritt den Laden. Sie ist seit Jahren Veloaktivistin, fordert mehr Fahrradwege in der Millionenstadt und kümmert sich gemeinsam mit Alexander Chomenko um die Fahrräder, die von bikes4ukraine aus Kyjiw angeliefert werden. „Acht Fahrräder haben wir nach Stari Saltiw überstellt“, berichtet sie stolz. Stari Saltiw ist, wie viele Vororte von Charkiw, von der russischen Armee weitgehend zerstört worden.

Wer hier lebt, muss das meiste zu Fuß erledigen: Wasser holen, einkaufen gehen. „In den Genuss eines Fahrrads sind in Stari Saltiw, aber auch in anderen zerstörten Orten um Charkiw, vor allem Sozialarbeiterinnen gekommen, die regelmäßig alte und kranke Menschen aufsuchen“, sagt Daschkina. „Aber auch Briefträgerinnen, Mitarbeiterinnen des medizinischen Dienstes und Personen, die ausgebombt worden sind, haben ein Rad erhalten“.

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