Fachkräftemangel droht: Turbo-Einbürgerung gefordert
Der Sachverständigenrat für Migration hat CDU und FDP zu einer grundlegenden Neuorientierung in Sachen Migration aufgefordert. Andernfalls drohe Fachkräftemangel.
BERLIN taz | Der Handlungsbedarf sei "enorm", "von einer protektionistischen zu einer offensiven und einladenden Zuwanderungspolitik" überzugehen, heißt es in einem Empfehlungskatalog des unabhängigen Expertengremiums.
Der Zuzug nach Deutschland nehme ab, gleichzeitig steige jedoch die Auswanderung in andere EU-Länder. Mit dem demografischen Wandel führe dies trotz Wirtschaftskrise zu einem wachsenden Fachkräftemangel. "Nach Jahren der Schließung sollte jetzt ein Signal der Aufnahmebereitschaft ausgesendet werden", forderten die Wissenschaftler, denen unter anderem der Direktor des Hamburgischen Weltwirtschaftsinstituts, Thomas Straubhaar, angehört.
Konkret sollten ab dem 1. Januar 2010 Arbeitnehmer aus den neuen EU-Mitgliedstaaten ins Land gelassen werden. Deutschland und Österreich sind die einzigen EU-Staaten, die Angehörigen der osteuropäischen EU-Mitgliedsländer teilweise bis 2013 den Zugang zum Arbeitsmarkt verweigern.
Weiterhin sollte ein Punktesystem eingeführt werden, um Menschen mit besonderer Qualifikation einfacher ins Land holen zu können. Die Regierung solle mit einer kontinuierlichen "Engpassanalyse" ermitteln, in welchen Branchen besonderer Fachkräftemangel bestehe. Auch Unternehmen außerhalb dieser Branchen sollten bei akutem Bedarf Ausländer einstellen dürfen. Solche Unternehmen müssten eine zweckgebundene Sonderabgabe zahlen. Damit, so die Forscher, könnte man Weiterbildungsmaßnahmen für hier lebende Arbeitskräfte bezahlen.
Dem Rat zufolge liegen die "mitgebrachten Kentnisse und beruflichen Erfahrungen von Zuwanderern" durch "Bürokratie und Protektionismus" oft brach. Um diesen "Brain Waste" zu stoppen, fordern die Wissenschaftler ein Anerkennungsgesetz. Dieses solle ein Verfahren zur Anerkennung der Qualifikation von Zuwanderern garantieren.
Weiter schlagen die Experten vor, die Einbürgerung drastisch zu vereinfachen. So solle jungen und alten MigrantInnen vorübergehend erlaubt werden, zwei Pässe zu besitzen. "Sozial und wirtschaftlich erfolgreich integrierte" MigrantInnen sollten künftig schon nach vier statt, wie bisher, nach sieben Jahren Deutsche werden können. Es brauche eine Turbo-Einbürgerung als Integrationsprämie, so die Experten.
Schließlich sprechen sich die Wissenschaftler für eine Verlängerung der Bleiberechtsregelung für langjährig Geduldete sowie eine Öffnung Deutschlands für Flüchtlinge aus. Diese sollten aus humanitären Gründen, unabhängig von ihrer wirtschaftlichen Nützlichkeit, weit stärker als bisher aufgenommen werden. Kinder ohne Aufenthaltsstatus sollten ohne Angst vor Abschiebung die Schule besuchen können. So einen Vorstoß hatte Hessen bereits letzte Woche angekündigt.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Polarisierung im Wahlkampf
„Gut“ und „böse“ sind frei erfunden
Werben um Wechselwähler*innen
Grüne entdecken Gefahr von Links
Wahlverhalten junger Menschen
Misstrauensvotum gegen die Alten
Donald Trump zu Ukraine
Trump bezeichnet Selenskyj als Diktator
Streit um tote Geiseln in Israel
Alle haben versagt
Soziologische Wahlforschung
Wie schwarz werden die grünen Milieus?