Facebook unter US-Datenschutzaufsicht: Pistole auf die Brust
Die US-Handelsbehörde FTC hat Facebook strenge Datenschutz-Auflagen gemacht. Wenn die Firma nicht endlich die Privatsphäre ihrer Kunden schütze, drohen ernste Folgen.
Im Entschuldigen hat Marc Zuckerberg mittlerweile Übung: "Ich bin der erste, der zugibt, dass wir eine Reihe von Fehlern gemacht haben." Das jedenfalls //blog.facebook.com/blog.php?post=10150378701937131%E2%80%9C:schreibt der 27-jährige Firmenchef im offiziellen Facebook-Blog.
Die Einsicht kommt nicht von ungefähr: Denn die US-Handelsbehörde Federal Trade Commission (FTC) hat dem Unternehmen die Pistole auf die Brust gesetzt. Entweder Facebook respektiert die Privatsphäre seiner Mitglieder oder es gibt diesmal Konsequenzen, die schmerzen.
Doch was er wirklich falsch gemacht hat, kommt in dem Blogeintrag nicht wirklich vor – stattdessen erfährt der Leser nur, was Facebook eigentlich immer wieder richtig gemacht hat. Und in Zukunft noch besser machen will: "Facebook war immer sehr darum bemüht offenzulegen, welche Daten Sie bei uns gespeichert haben", schreibt Zuckerberg.
Dass dies nicht ganz der Realität entspricht, zeigt die //www.ftc.gov/opa/2011/11/privacysettlement.shtm%E2%80%9C:Beschwerdeliste der FTC. So wirft die Behörde Facebook vor, Daten der Facebook-Nutzer an Dritte weitergereicht zu haben. "Facebook erklärte, dass Anwendungen von Drittfirmen nur Zugriff auf die Daten bekämen, die diese unbedingt benötigten. Doch tatsächlich konnten diese Anwendungen nahezu alle Daten der Nutzer auslesen." "Farmville" und Co erfuhren praktisch alles, was Spieler bei Facebook machten.
Empfohlener externer Inhalt
Die Konsequenzen für Facebook sind erst einmal überschaubar: In den nächsten Jahren muss sich Facebook einer strengeren Aufsicht unterstellen. Insbesondere legt die FTC Wert darauf, dass die Nutzer nicht wieder vor vollendete Tatsachen gestellt werden, dass Facebook nicht einfach die Spielregeln auf der Plattform nach Belieben ändern kann. In Zukunft müssen die Nutzer zustimmen, wenn Facebook Daten für neue Funktionen freigeben will.
Wie das in der Praxis aussehen kann, zeigt die Einführung der neuen Timeline, mit der das Unternehmen nicht nur ein lebenslange Historie des Lebens seiner Mitglieder erstellen will, sondern auch viele Aktivitäten außerhalb von Facebook erfassen will.
So gehört der britische Guardian zu den ersten Anbietern, die ihr Angebot für die neue Facebook-Offenheit umgestellt haben. Die Folge: Sobald jemand einen Link auf das Angebot der britischen Tageszeitung setzt, wird der Link auf die neue Facebook-App des Guardian umgeleitet, die in Zukunft jeden Klick auf Guardian-Artikel speichert und an den Freundeskreis weiterreichen will.
Wer nicht an dem Programm teilnehmen will, bekommt auf Klick auch keinen Zugang mehr auf die normale Guardian-Webseite. Er kann höchstens die Webadresse von Facebook in seine Browserzeile kopieren. Bei einer Plattform, deren Hauptfunktion das Weiterreichen von Informationen ist, ist das geradezu anachronistisch. Entweder der Nutzer stimmt zu, dass seine Daten genutzt werden oder die Funktionalität von Facebook wird eingeschränkt.
Datenwirrwarr für den User
Ob das Modell aufgeht, ist keineswegs gewiss. Eine App für jede Webseite, die man benutzt oder nur gelegentlich anklickt? Für Nutzer ist dies ein kaum überschaubares Datenwirrwarr. Sie stimmen zwar explizit zu, können aber nicht überblicken, was das im Endeffekt bedeutet. Immerhin: Facebook-Kooperationspartner können auf den App-Zwang verzichten.
Wichtiger ist aber vielleicht ein Punkt: Die FTC stellte fest, dass sich Facebook trotz gegenteiliger Behauptung nicht an das "Safe Harbor"-Abkommen gehalten habe. Diese Regelung sieht vor, dass US-Unternehmen die Daten von EU-Bürgern abspeichern dürfen, wenn sie sich an gewisse Mindeststandards halten. Dass sogar die US-Behörden diese Mindeststandards verletzt sehen, wird den Auseinandersetzungen von europäischen Datenschützern mit dem US-Unternehmen verstärken.
Facebook plant derweil weiter den eigenen Börsengang, der im kommenden Jahr über die Bühne gehen soll. Die Fantasie der Börsenanalysten kennt dabei kaum Grenzen. //www.handelsblatt.com/finanzen/aktien/neuemissionen/facebook-droht-die-boersen-klatsche/5902834.html%E2%80%9C:10 Milliarden Dollar will Facebook einnehmen, die Börsenbewertung des ganzen Unternehmens soll dann bei 100 Milliarden Dollar liegen.
Doch wenn die 800 Millionen Nutzer der Plattform die Neuerungen nicht wie gewünscht annehmen, könnte Facebook schnell wieder an Boden verlieren. So hatte der Facebook-Konkurrent MySpace innerhalb weniger Jahre die Spitzenposition im Markt verloren und ist heute kaum noch relevant.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Deutschland braucht Zuwanderung
Bitte kommt alle!
Umfrage zu Sicherheitsgefühl
Das Problem mit den Gefühlen
„Freiheit“ von Angela Merkel
Die Macht hatte ihren Preis
Verkehrsvorbild in den USA
Ein Tempolimit ist möglich, zeigt New York City
Deutscher Arbeitsmarkt
Zuwanderung ist unausweichlich