Facebook unter Rechtfertigungsdruck: Für immer gläsern
Facebook hat fast unbemerkt seine Geschäftsbedingungen geändert und damit bei Nutzern und Datenschützern für Empörung gesorgt. Jetzt rudern die Betreiber zurück.
Seit einigen Wochen geistert ein kleines Ding durch das soziale Netzwerk Facebook. Es heißt "25 Random Things" und funktioniert wie der gute alte Kettenbrief. Die Regeln: Schreibe 25 Fakten über dich selber auf. Was, ist egal. Diese Liste schickst du danach an 25 deiner Facebook-Freunde, die sich jetzt ihrerseits in 25 Punkten darstellen und diese an Freunde weiterschicken sollen. Und so weiter. Das ist im Ergebnis durchaus interessant: man erfährt Sachen über seine Internet-Bekannten, die man vielleicht noch nicht wusste. "Als Kind wollte ich Pilot werden", "Ich suche einen Job" oder "Ich hasse Kartoffelsalat", zum Beispiel.
Doch egal, welche Information man von sich preisgibt: Sobald sie veröffentlicht ist, gehört sie Facebook. In den Geschäftsbedingungen des mit 175 Millionen angemeldeten Benutzern zweitgrößten sozialen Netzwerks im Internet war schon immer verankert gewesen, dass Facebook alle Rechte an allem hat, was Benutzer dort so anstellen. Das ist nicht wenig: Sie geben persönliche Daten an, stellen Fotos online, posten Videos, chatten, schreiben sich gegenseitig Nachrichten - und erklären sich eben in 25 Fakten. Menschen, die sich freiwillig, sogar mit Freude selbst darstellen,von sich aus alle Hüllen fallen lassen und ihre persönlichen Vorlieben auspacken, sind natürlich vor allem eins: hervorragende potenzielle Kunden. Die Firma Facebook besitzt einen riesigen Berg an Informationen über all ihre Mitglieder, und damit kann sie machen, was sie will.
Was das wert ist, kann man nur erahnen: Den klitzekleinen Anteil von 1,6 Prozent an Facebook verkaufte Gründer Mark Zuckerberg im Oktober 2007 für 240 Millionen US-Dollar an Microsoft. Bisher gab es einen Ausweg, um nicht irgendwann tatsächlich mit personalisierter Werbung oder sonstwie auf das eigene Profil zugeschnittenen Spam zugeschüttet zu werden: die Mitgliedschaft bei Facebook kündigen. Wenn man sich löscht, verliert Facebook die Rechte an allem, was man jemals auf der Plattform angegeben hat. Doch dann änderte Zuckerberg unbemerkt die Geschäftsbedingungen.
Nach der neuen Version dürfte Facebook auch dann alle Daten uneingeschränkt verwenden, wenn sich der Nutzer schon längst wieder abgemeldet hat. Veränderungen in den Facebook-Geschäftsbedingungen werden nirgends angekündigt. Wenn man sich danach einfach einloggt und die Plattform weiter nutzt, wird das als Einverständnis zur Veränderung gewertet. So blieb die aktuelle Änderung lange unentdeckt, bis das amerikanische Verbraucherschutzblog consumerist.com am Wochenende titelte: "Facebook kann mit deinen Daten machen, was es will. Für immer." Eine erschreckende Aussicht in der immer ein wenig vergänglichen, immer ein wenig schnelllebigen Welt des Web 2.0. Proteststürme der Facebook-Benutzer brachen los. Sie organisierten sich in Gruppen und forderten zum kollektiven Massen-Austritt auf und landeten damit kurz darauf sogar in der New York Times. Auch Datenschützer kritisierten die neue Nutzungsordnung: "Ich halte diesen Dienst so für nicht weiter nutzbar, weil nicht überschaubar ist, wie Daten weiterverwendet werden", warnte beispielsweise Maren Raguse vom Unabhängigen Landeszentrum für Datenschutz (ULD) in Kiel.
Mark Zuckerberg gab nach: seit gestern gilt wieder die alte Nutzungsordnung. Die, nach der Facebook den Zugriff auf die persönlichen Daten verliert, wenn man sich löscht. In der offiziellen Stellungnahme schrieb Zuckerberg, neue Geschäftsbedingungen sollen ausgearbeitet werden, am liebsten zusammen mit den Nutzern. Denn, er sehe es ein, die letzte, nun wieder zurück genommene Version sei in ihrer Sprache zu förmlich und zu unverständlich gewesen. Wenn allerdings nur die Sprache in der nächsten Version ausgetauscht ist, stellt sich die Frage, ob das den 175 Millionen Nutzer wirklich hilft. Sie sollten vielleicht lieber schon mal im Netz googeln nach "10 privacy settings every facebook user should know" - unter diesem Titel gibt es zehn Tipps zum Schutz der Privatspähre bei Facebook.
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