piwik no script img

Facebook und ÜberwachungMal die Systemfrage stellen

Kommentar von Svenja Bergt

Der Österreicher Max Schrems will sein Recht auf Privatsphäre gegen Facebook durchsetzen. Der Europäische Gerichtshof hat sich nun damit befasst.

Der Österreicher Max Schrems legt sich mit Facebook an Foto: Heinz-Peter Bader/reuters

D ass Netflix diese Geschichte noch nicht verfilmt hat, kann eigentlich nur daran liegen, dass der Dienst Angst vor dem Protagonisten hat: ein junger Jurist, der sich seit seinen Studienzeiten mit einem der ganz Großen angelegt hat.

Max Schrems gegen Facebook, es geht um das Recht auf Privatsphäre, also um das Gute; das Verfahren bietet ausreichend Material und unerwartete Volten für etwa drei Staffeln, und kurz vor dem Ende ist noch alles offen. Kurz vor dem Ende, das ist dieser Donnerstag und da hat der Generalanwalt des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) ­sein Votum in der Sache vorgelegt. 97 Seiten, auf denen er leider eines nicht macht: die Systemfrage stellen.

Denn das herrschende System aus Datensammeln und Überwachen, aus dieser merkwürdigen Nicht-Allianz aus Wirtschaft und Geheimdiensten, in dem die allermeisten Nut­ze­r:in­nen nicht auch nur im Ansatz eine Idee davon haben, was wer über sie sammelt, weitergibt, speichert, wie lange und auf welcher Rechtsgrundlage eigentlich – dieses System also ist mit ein paar kleinen Korrekturen leider nicht korrigiert.

Genau das müsste es aber. Wer in den vergangenen Wochen Edward Snowden gelesen oder in Interviews gehört hat, ahnt, dass sich sechs Jahre nach seinen Enthüllungen zwar einiges geändert, aber nichts substanziell gebessert hat.

Europa hätte jetzt diese Chance. Es hat die Datenschutzgrundverordnung, die, bei allen Fehlern, doch ein Fortschritt ist. Es hat einen Protagonisten, der keine Angst vor jahrelangen Konflikten mit Behörden und einem finanzkräftigen US-Unternehmen hat. Der EuGH könnte sich im kommenden Jahr trauen, ein Urteil zu fällen, das den Transfer persönlicher Daten in die USA unter den aktuellen Bedingungen untersagt.

Die hätten dann die Chance, einmal einen Augenblick innezuhalten: Wollen sie vielleicht doch ein Minimum an Datenschutz gewährleisten? Oder lieber auf das Geschäft verzichten? Es wäre ein Urteil so nah an der Systemfrage, wie es gerade eben möglich ist.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Redakteurin für Wirtschaft und Umwelt
schreibt über vernetzte Welten, digitale Wirtschaft und lange Wörter (Datenschutz-Grundverordnung, Plattformökonomie, Nutzungsbedingungen). Manchmal und wenn es die Saison zulässt, auch über alte Apfelsorten. Bevor sie zur taz kam, hat sie unter anderem für den MDR als Multimedia-Redakteurin gearbeitet. Autorin der Kolumne Digitalozän.
Mehr zum Thema

1 Kommentar

 / 
Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • Wenn sie wenigstens die Daten ansatzweise sicher halten könnten. Wenn man sieht wie häufig Daten von Facebook, Whatsapp, Instagram, etc entwendet oder missbraucht werden (Cambridge Analytica) kann man schon etwas an der Kompetenz zweifeln.

    Siehe: www.scoopwhoop.com...-topping-the-list/