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Facebook-StatistikSoundtrack für Verliebte

Facebook hat eine Statistik mit Liedern für Verliebte veröffentlicht. Die Liste ist so aussagekräftig wie die meisten Daten aus dem sozialen Netzwerk.

Wer Liebeskummer hat, hört andere Musik als Frischverliebte. Welch Erkenntnis! Bild: imago/blickwinkel

Die virtuelle Pinnwand des Facebook Data Teams ist eine sehr unregelmäßig aktualisierte Plattform für die Präsentation statistischer Daten, die in den Profilen hunderter Millionen Benutzer gesammelt wurden. Pünktlich zum Valentinstag nun findet sich beim Data Team eine Doppelliste, welche den Zusammenhang zwischen Beziehungsstatus und Musikvorlieben deutlich machen soll.

Die erste Liste präsentiert die Top Ten für laut Status frisch Verliebte, die zweite jene für gerade Getrennte. Wenig überraschend hören himmelhoch jauchzende Menschen eher froher Liebeslieder, während die zu Tode betrübten traurigeres Material bevorzugen. Auffällig ist, dass ausnahmslos alle 20 Stücke aktuelle Popsongs von erfolgreichen Popstars sind.

Das also ist die Information, die aus dem veröffentlichten Datenmaterial zu ersehen ist: Millionen von Menschen hören Musik, die bekanntermaßen von Millionen von Menschen gehört wird, und passen die konkretere Auswahl ihrer jeweiligen Stimmungslage an. Wer hätte das gedacht? Mit den anderen Statistiken des Facebook Data Teams verhält es sich ähnlich: Das Offensichtliche wird mit erdrückend umfangreichem Datenmaterial belegt.

So lernen wir, dass es nur weniger Zwischenschritte bedarf, um die Verbindungen zwischen zwei beliebigen Menschen im Onlinenetzwerk herzustellen, oder auch, dass Menschen vornehmlich den Kontakt zu etwa gleichaltrigen aus dem selben Kulturkreis stammenden Personen suchen. Sensationell.

Die bislang einzige Untersuchung, die anderes als Gewissheiten zu Tage gefördert hat, ist die über die Verbreitung von Informationen im Netzwerk. Da finden sich Indizien, dass die so genannte "Echo-Chamber-Theorie" widerlegt werden könne. Die besagt, dass Online-Nutzer nur Kontakt zu Menschen mit ähnlichem Weltbild haben und deshalb ihre Meinungen immer nur bestätigt, nie aber herausgefordert sehen. Sie befinden sich gewissermaßen in kleinen Kammer, deren Wände nur Echos der eigenen Position zurückwerfen. Oder eben grade nicht – darüber können sich die Empiriker jetzt die Köpfe zerbrechen.

Abbildung des Mainstreams

Das Problem der meisten Facebook-Statistiken ist offensichtlich ihr Umfang. Die jeweiligen Ergebnisse präsentieren Durchschnittsnutzer, die immer wieder nur den Mainstream abbilden können. Alles auch nur leicht abseitige muss dabei marginalisiert werden. Dabei geht es nicht nur um kleinste Interessengruppen und eine Handvoll Individualisten: Leicht können auch Millionen Menschen in einer Statistik verschwinden, deren Sample 800 Millionen Menschen umfasst.

Was entsteht, ist eine riesige Echo-Kammer, in der Marketingexperten und Facebook-Spezialisten immer nur ihre eigenen Kampagnen gespiegelt bekommen. Die Masse mag, was die Masse kauft; und das ist das jeweils am frischesten Beworbene. Was in einer Facebook-Statistik auftaucht, kann niemals "the next big thing" sein. Es ist zwangsläufig bereits das gerade aktuelle große Ding. Das ist selbstverständlich nicht der Untergang des Abendlandes.

Der "richtige" Soundtrack im Ohr

Wer in Freud und Leid versucht, auch den "richtigen" Soundtrack im Ohr zu haben, kann sich mithilfe der Listen des Facebook Data Teams die entsprechenden Playlisten zusammenstellen. Die Millionen Individualisten da draußen werden auch weiterhin noch andere lohnende Jahrgänge in der Musikgeschichte finden als 2010-2012 und andere Chartpositionen als die ersten zehn, um was zum Lachen oder Weinen zu haben.

Vom Data Team wünscht man sich derweil einen anderen Umgang mit den Statistiken. Dynamische Abbildungen, wie jene über die Verbreitung von Informationen sagen nun mal viel mehr über die Funktionsweise des Netzwerkes aus als die kleinen feiertagsnah präsentierten Momentaufnahmen ohne weiteren Erkenntniswert.

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4 Kommentare

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  • HP
    Hans Peter

    "Die Liste ist so aussagekräftig wie die meisten Daten aus dem sozialen Netzwerk."

     

    diesen satz sollte die taz velleicht nochmal überdenken. mag zwar sein das die daten die facebook veröffentlicht, lächerlich sind. aber die daten die facebook besitzt sagen wesentlich mehr aus.

  • P
    Peter

    Da ist die Taz (mal wieder) schön auf den Leim gegangen:

     

    Facebook schert sich einen Dreck um aussagekräftige Statistiken. Als ob Zuckerberg ein Meinungsforschungsinstitut gründen wollte!

     

    Am Valentinstag bekommen 800 Millionen Menschen pünktlich eine Liste mit 20 empfohlenen (weil von der Mehrheit favorisierten) Liedern - direkt vor die Nase.

     

    Eine bessere Werbung kann sich die Musikindustrie doch garnicht wünschen! Zweck erfüllt - allein dieser Werbeerfolg am Valentinstag dürfte Facebook zig Millionen bescheren.

     

    DAS ist facebook, liebe Redaktion. Aber träumt nur weiter vom angeblich weltverbessernden und gesellschaftsreflektierenden Social Network...

  • F
    Felix

    Bei Facebook tobt sich nur die tumbe Masse aus. Dort sind nur Trendfolger.

     

    Zukünftige Trends werden woanders gemacht. Die entstehen in den kleinen Foren der Freaks, der Opensource-Szene, der Leute, die anders als die anderen sind, dort wo man geschickt danach suchen muss, was bei der tumben Masse bereits an der Fähigkeit scheitert das Internet gezielt zu nutzen. Hätten die Leute diese Fähigkeit, dann wären sie nämlich nicht bei Facebook, sondern in der Lage interessantere Dinge im Netz zu finden.

  • L
    libertador

    Ich verstehen nicht, wieso eine Statistik überflüssig sein sollte, weil sie die eigenen Intuition bestätigt.

     

    Hätte der Autor denn ohne die Statistik gewusst, dass seine Intuition richtig ist. Er wäre davon ausgegangen, dass es richtig ist. Aber die Statistik kann eine Bestätigung des der Intuition zu Grunde liegenden Mechanismus sein, aber das kann man nur mittels Statistik wieder überprüfen.