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Facebook-Aufreger: Hund zu Tode gejagt?Fake, kein Fake oder ein bisschen Fake

Facebook-Nutzer*innen ereifern sich über einen angeblich von Migranten misshandelten Hund. Stimmt die Geschichte? Ein Teil davon schon. Der Rest bleibt unklar.

Nur der Schatten der Wirklichkeit: Hier bleibt Platz für Gerüchte Foto: dpa

HAMBURG taz | Die Kombination der Themen „Tiere“ und „Migranten“ hat vergangene Woche viele Emotionen im Internet ausgelöst. Ein Facebook-Beitrag wurde 70.000-mal gelikt, 41.000-mal geteilt und bekam 32.000 Kommentare. Darunter befinden sich neben vielen rassistischen Ausfällen, auch solche von Nutzer*innen, die vermuten, dass die Geschichte erfunden wurde, um gegen Ausländer zu hetzen. Das berichtet das Internetmagazin Übermedien.

Die Geschichte beginnt mit dem Facebook-Post von Aloys Hoffmann, in dem er beschreibt, wie sein Hund in Hamburg gestorben ist. Am 30. Dezember hätten „vier jugenlichen (sic!), ca. 10, 13, 16 und 18 Jahre alt, mit Migrationshintergrund“ Hoffmann und dessen Hund mit Böllern beworfen. Der Hund habe panisch reagiert, sei auf eine Schnellstraße gerannt und dort von vier Fahrzeugen überfahren worden. Fünf Fotos eines toten Hundes ergänzen den Beitrag.

In dieser Geschichte sahen manche Nutzer*innen ihre Vorurteile gegenüber Migranten bestätigt. Viele Kommentare sind von Hass und Gewalt geprägt, einer lautet zum Beispiel: „Ich würde ihnen die Kehle aufschneiden und qualvoll verrecken lassen dieses scheiß Ausländer Pack!“.

Im Gegensatz dazu glauben andere Nutzer*innen kein Wort der Geschichte, wie Peter Huth, Chefredakteur der Welt am Sonntag. In der Silvesternacht schrieb er auf Facebook: „40.000 Likes für eine klare Fake-News. Und Menschen, die sich so etwas ausdenken, um mit Triggern wie Hund-tot-Migranten-Schuld, Stimmung zu machen.“ Viele Nutzer*innen sind überzeugt, dass Hoffmann die Geschichte vom Tod seines Hundes erfunden hat, um gegen Ausländer zu hetzen.

Polizei bestätigt Unfall

Aber zumindest teilweise ist die Geschichte nicht erfunden. Die Polizei Hamburg bestätigt, dass sich am Samstagabend, auf der B5 in der Nähe von Bill­stedt ein Unfall ereignet hat, bei dem ein Hund starb und ein Rollerfahrer so stark verletzt wurde, dass er ins Krankenhaus musste.

Der Hundehalter sagte der Polizei, dass sein Hund auf der Schnellstraße gerannt sei, weil er durch Silvesterknaller aufgeschreckt wurde. Seine Identität will die Polizei nicht preisgeben.

Ob es wirklich um Böller und Jugendliche mit Migrationshintergrund ging, bleibt also unbestätigt. Sicher ist aber, dass die Geschichte nicht komplett erfunden ist, weshalb der Chef der Welt am Sonntag seinen Beitrag relativierte.

Perfekte Zutaten für eine Aufreger-Geschichte

Dass so viel und emotional auf diese Geschichte reagiert wurde, erklärt der Medienjournalist Stefan Niggemeier durch die „perfekte Mischung“ der Themen „Tiere“ und „Migranten“ in der Geschichte. Gewalt gegen Tiere sei allein schon ein Aufreger, dessen Wirkung sich vervielfache, wenn er mit dem Thema Migration verkoppelt werde, sagte er der taz.

In dem Internetmagazin Übermedien schrieb er, die Geschichte sei ein Beispiel dafür, wie schwierig der Umgang mit Fake-News ist. Grundsätzlich hält er die Skepsis vieler Nutzer*innen solchen Erzählungen gegenüber für einen „guten Reflex“. Denn der Verdacht, dass die Geschichte erfunden wurde, liege nahe: Das Facebook-Profil des Hundehalters ist voll von Beiträgen, in denen gegen Migranten gehetzt wird. Der in Rede stehende Beitrag sei aber nicht gründlich nachrecherchiert worden.

Abgesehen davon ist für Niggemeier bestürzend, „dass eine so gewaltige Zahl von Menschen in dem Vorfall einen Beweis für die vermeintliche Verkommenheit von Flüchtlingen insgesamt sehen oder sehen wollen.“

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